Swissgrid hat beim Bundesamt für Energie (BFE) verschiedene Planungskorridore für den Bau einer neuen Höchstspannungsleitung zwischen Innertkirchen und Ulrichen eingereicht und damit das Sachplanverfahren für Übertragungsleitungen (SÜL) gestartet. Der Variantenfächer umfasst sowohl Freileitungs- wie auch Erdkabelkorridore. Der multifunktionale Grimselbahntunnel gehört ebenfalls dazu.
Die rund 27 Kilometer lange Höchstspannungsleitung zwischen Innertkirchen (BE) und Ulrichen (VS), die heute über den Grimselpass führt, ist zu einem grossen Teil über 60 Jahre alt und muss auf den neusten Stand der Technik gebracht werden. Im Rahmen der Erneuerung wird gleichzeitig die Spannung von heute 220 Kilovolt (kV) auf durchgehend 380 kV erhöht. Die Kapazitätserhöhung ist mit Blick auf die Energiestrategie des Bundes nötig, um die wachsende Stromproduktion aus Wasserkraft in den Kantonen Bern, Wallis und Tessin ins Schweizer Mittelland zu transportieren und die Versorgungssicherheit in der ganzen Schweiz langfristig zu stärken.
Start des Sachplanverfahrens
Swissgrid hat Anfang Juli 2020 beim Bundesamt für Energie (BFE) die Festsetzung eines Planungskorridors zwischen Innertkirchen und Ulrichen im Sachplan Übertragungsleitungen des Bundes (SÜL) beantragt. Dazu hat Swissgrid in einem ersten Schritt verschiedene Korridorvarianten ausgearbeitet – geografische Räume, in welchen im weiteren Projektverlauf ein Trassee mit einer bestimmten Übertragungstechnologie – Freileitung oder Erdkabel – realisiert werden kann.
Als nächstes wird eine vom BFE eingesetzte Begleitgruppe die vorgeschlagenen Planungskorridore diskutieren und bezüglich der Auswirkungen auf Raum, Umwelt, Technik und Kosten bewerten. Die Empfehlung der Begleitgruppe geht anschliessend in die öffentliche Mitwirkung. Voraussichtlich Ende 2022 bestimmt der Bundesrat den Planungskorridor und die Übertragungstechnologie zwischen Innertkirchen und Ulrichen.
Verschiedene Freileitungs- und Erdkabelvarianten machbar
Swissgrid hat drei Hauptkorridore erarbeitet, die teilweise Untervarianten umfassen:
- Variante «Freileitung»: Der Freileitungskorridor verläuft zwischen Innertkirchen und Handegg im Bereich des Talbodens. Von Handegg bis östlich von Oberwald führt er durch hochalpines Gelände. Auf der Walliser Seite der Grimsel quert der Korridor im Raum St. Niklaus das Obergoms und führt an dessen südlicher Talflanke nach Ulrichen.
- Variante «Teilverkabelung»: Der Korridor führt als Freileitung bis Handegg. Danach wird die Leitung als Erdkabel in mehrheitlich bestehenden Stollen bis ins Obergoms verlegt. Für das Stollenportal bestehen auf Walliser Seite zwischen St. Niklaus und Ulrichen fünf Optionen. Ab diesem Punkt wird der Korridor als Freileitung weitergeführt.
- Variante «Verkabelung lang»: Der Korridor verläuft unterirdisch von Innertkirchen bis ins Obergoms – entweder in einem neu zu bauenden Stollen bis Handegg und von dort in mehrheitlich bestehenden Stollen analog Variante 2, oder im multifunktionalen Grimselbahntunnel, welcher von Innertkirchen bis nach Oberwald führt. Zwischen Oberwald und Ulrichen sind Korridorvarianten als Freileitung oder als Erdkabel möglich.
Jede der eingereichten Varianten weist spezifische Vor- und Nachteile in den Bereichen Raumplanung, Umwelt, Technik und Wirtschaftlichkeit auf. Freileitungen haben Vorteile bei Effizienz und Reparaturdauer, Erdkabelleitungen bei Ästhetik, Landschaftsbild und Akzeptanz. Die technischen Herausforderungen nehmen im Höchstspannungsnetz zu, je mehr Leitungsabschnitte in den Boden verlegt werden. Zudem liegen die Kosten eines Leitungsabschnitts grundsätzlich höher, wenn er als Erdkabel realisiert wird.
Die Stollenvariante sieht vor, für die Erdkabelleitung bestehende Kraftwerksstollen zu nutzen und zusätzlich neue Tunnel zu errichten. Swissgrid ist sich der Vorteile bewusst, welche die Bündelungen von grossen, linearen Infrastrukturen, insbesondere im Bereich Landschaftsschutz, bietet und prüft bei allen Leitungsprojekten entsprechende Synergiepotenziale. Mit dem Vorschlag einer Kombination von Bahntunnel und Erdkabel liegt eine Untervariante vor, welche den besonderen Gegebenheiten an der Grimsel Rechnung trägt. Dass das Projekt eines multifunktionalen Tunnels grundsätzlich technisch machbar und bewilligungsfähig ist, hat die Grimselbahn AG in einer Machbarkeitsstudie (2015) und in einer vertieften technischen Analyse (2019) gezeigt.
Deutliche Entlastung der Siedlungsräume
Allen von Swissgrid eingereichten Korridorvarianten gemeinsam ist die Entlastung der Siedlungen im Raum Innertkirchen, Guttannen und Obergesteln. Die heutige Leitung führt teilweise mitten durch diese Dörfer und schränkt sie in ihrer Siedlungsentwicklung ein. Die neue Leitung wird hingegen die Siedlungen umgehen – unabhängig von der Übertragungstechnolo-gie. Innertkirchen wird zudem durch zwei weitere Projekte von Swissgrid entlastet, die technisch und planerisch eng mit dem Projekt Innertkirchen – Ulrichen verzahnt sind.
Erstens plant Swissgrid eine neue Leitungseinführung ins Unterwerk Innertkirchen. Heute führen aus Norden drei Freileitungen mitten durch das Dorf. Sie werden künftig gebündelt und in einem Stollen unterirdisch ins Unterwerk geführt. Die entsprechenden Korridorvarianten werden gegenwärtig in einem separaten Sachplanverfahren geprüft. Swissgrid plant, die neue Leitungseinführung bis Ende 2026 in Betrieb zu nehmen und die durch Innertkirchen führenden Freileitungen bis voraussichtlich Ende 2027 zurückzubauen.
Zweitens ersetzt Swissgrid im Unterwerk Innertkirchen die in die Jahre gekommene Freiluftschaltanlage durch eine moderne, gasisolierte Schaltanlage (GIS). Sie wird für alle technischen Varianten der neuen Leitung zwischen Innertkirchen und Ulrichen (Erdkabel oder Freileitung) vorbereitet. Die neue 220-kV-GIS-Anlage – die grösste der Schweiz – wird voraussichtlich im Herbst 2020 in Betrieb genommen, die heutige Freiluftschaltanlage bis April 2021 zurückgebaut.
Im Dialog mit der Bevölkerung
Der Dialog mit der Bevölkerung, den Gemeinden sowie den Behörden und Verbänden ist Swissgrid ein wichtiges Anliegen. Swissgrid und die Grimselbahn AG führen am Donnerstag, 17. September in Innertkirchen (BE) und am Freitag, 18. September in Oberwald (VS) Informationsveranstaltungen zum Projekt durch.