Swissgrid konnte während einem Test zwischen Februar und April 2015 die Kapazitäten für den Import von Strom an der Nordgrenze deutlich erhöhen. Dies wurde dank neuen Planungs- und Prognosesystemen ohne Änderungen an der bestehenden Netzinfrastruktur möglich. Das Resultat sind sinkende Preise für die Grenzkapazitäten und eine tendenzielle Angleichung an die Grosshandels-Strompreise des benachbarten Auslands. Gleichzeitig steigt aber auch die Versorgungssicherheit der Schweiz. Mit dem «Strategischen Netz 2025» ist eine weitere Ausweitung der Transportkapazität zwischen der Schweiz und den nördlichen Grenzen geplant.
Die Schweiz importiert vor allem im Winter Strom aus den nördlichen Nachbarländern. Die verfügbare Übertragungskapazität, die so genannte «Net Transfer Capacity» (NTC) ist aber beschränkt. Der Bau neuer Leitungen ist teuer und langwierig, weshalb Swissgrid versucht, mit betrieblichen und organisatorischen Mitteln die NTC zu erhöhen. Ein entsprechender Test wurde zwischen Februar und April erfolgreich durchgeführt. Die nötigen neuen Planungs- und Prognosesysteme wurden aufgebaut, um per Ende 2014 im Hinblick auf ein Stromabkommen mit der EU technisch in der Lage zu sein, an den gekoppelten europäischen Strommärkten teilzunehmen. Dabei wird Strom und Transportkapazität immer gemeinsam verkauft. Geschickt eingesetzt, bringen die für die Marktkopplung beschafften Systeme jedoch auch im bisherigen Marktmodell mit getrenntem Verkauf von Energie und Transportkapazität deutliche Effizienzgewinne für die Schweizer Volkswirtschaft. Mit den neuen Systemen muss die NTC nicht mehr mit statischen Annahmen gerechnet werden. Stattdessen prognostiziert Swissgrid die zu erwartenden Stromflüsse mit Erfahrungswerten und aktuellen Daten zu Temperaturen, Windrichtungen, Sonneneinstrahlung und Verbrauch aus ganz Europa. Das erlaubt eine sehr viel genauere Kapazitätszuteilung.
Signifikante Erhöhung der Kapazität
Insgesamt konnten während der Testphase an den Auktionen für Übertragungskapazität an der Schweizer Grenze zu Deutschland und Österreich im Schnitt rund 600 MW oder rund 35% mehr Kapazität gegenüber dem Vorjahr angeboten werden. Dies entspricht der Leistung eines mittelgrossen Kernkraftwerks. Das Ergebnis davon sind sinkende Preise für die Grenzkapazitäten und tendenziell tiefere Grosshandelspreise in der Schweiz dank einem besseren Marktzugang für Schweizer Händler und dadurch günstigere Konditionen für Grossverbraucher im Winterhalbjahr. In Extremfällen sinken die Auktionspreise für die Grenzkapazitäten dadurch um über 20%. Zudem steigt die Versorgungssicherheit der Schweiz, weil bei Bedarf deutlich mehr Energie importiert werden kann. In einem weiteren Testbetrieb im Winter 2015/2016 wird Swissgrid versuchen, die Übertragungskapazität an der Grenze weiter zu optimieren. Im von Swissgrid im April 2015 vorgestellten Bericht «Strategisches Netz 2025» sind zudem vier Projekte enthalten, die einen wesentlichen Einfluss auf die Transportkapazität zwischen der Schweiz und den nördlichen Nachbarn Deutschland, Österreich, Frankreich haben. Dadurch soll die Importkapazität um weitere 2500 MW steigen.
Net Transfer Capacity (NTC)
Die Net Transfer Capacity legt die maximal verfügbare Leitungskapazität zwischen zwei benachbarten Gebieten fest. Diese Transportkapazität wird unter den Schweizer Stromhändlern versteigert. Ausgehend von der Maximalkapazität (Total Transfer Capacity – TTR) zieht jeder Netzbetreiber eine Sicherheitsmarge ab, genannt Transmission Reliability Margin (TRM). Weiter werden noch die real genutzten Kapazitäten der Langzeitverträge abgezogen. Die Eigentümer dieser Verträge müssen jeweils bis am Vortag bekannt geben, ob und in welchem Umfang sie ihre langfristig reservierten Übertragungskapazitäten nutzen wollen oder nicht. Die angebotene NTC ergibt sich aus TTR minus TRM minus LTC. Entscheidend ist, dass bei aller Optimierung Netzsicherheit und Versorgungssicherheit immer gewährleistet sind und nach Möglichkeit erhöht werden können.
Welche Kuppelstellen der Nordgrenze sind davon betroffen?
Die Kapaziätserhöhung hat an der Grenze Deutschland-Schweiz und Österreich-Schweiz stattgefunden. Entsprechend sind dort alle Kuppelstellen betroffen.
Welche Handelsrichtungen werden davon tangiert, nur die Import- oder auch die Exportkapazität?
Die Kapazitätserhöhung wurde in Importrichtung (Schweiz importiert) durchgeführt.
Wie gross wird der zu erwartende Zuwachs an Kapazitäten sein und in welche Produkte wird dieser einfliessen?
Der aktuelle Zuwachs kann u.a. auf der Transparency-Plattform nachvollzogen werden – im Schnitt handelt es sich um eine Erhöhung von 600 MW. Inwieweit sich diese Kapazitätserhöhung in den nächsten Wintermonaten wiederholen lässt, ist schwer abzusehen. Tendenziell sollte diese Basis gehalten werden können. Da die Tests erst in diesem Winter durchgeführt worden sind und die Kapazitäten tagtäglich neu betrachtet werden, fliesst die Erhöhung bisher nur in die Tagesprodukte ein. Überlegungen zu den anderen Produkten können erst getroffen werden, wenn sich die Erhöhung langfristig als (netz-)sicher herausstellt.
Sind die Tests abgeschlossen und wenn ja:
- Wann sind die nächsten Tests geplant und wie lange werden diese dauern?
Die nächsten Tests sind für den Winter 2015/2016 geplant (je nach Stand der Vorbereitungen und vor allem der Wettersituation; voraussichtlicher Start im November). - Sind die derzeitigen Kapazitäten wieder die gleichen wie vor dem Test?
Die aktuellen Kapazitäten bewegen sich am Niveau-Ende der ersten Testsequenz. Allerdings werden auch diese täglich auf Fahrbarkeit überprüft.
Welche Tests sind für den Winter 2015/2016 geplant und welche Auswirkungen wird dies auf die unterschiedlichen Grenzen der Schweiz haben?
Grundsätzlich ist eine Fortführung der bisherigen Tests geplant. Jedoch werden die aktuellen Systeme mit neuen Informationen gespeist und auch die intensivere Kooperation mit den Nachbar-Netzbetreibern gesucht.
Ab wann ist beim erfolgreichen Abschluss der Tests mit einer dauerhaften Erhöhung der Grenzkapazitäten zu rechnen?
Sofern sich das durchgeführte Projekt – sowohl aus Prozess- als auch Netzsicherheitssicht – als erfolgreich herausstellt, gehen die Prozesse aus der Testphase direkt in operative Prozesse über. Nichtsdestotrotz können die Kapazitäten täglich, je nach Netzsituation, auch nach Abschluss der Tests 2015/2016 schwanken.
Sind für die anderen Grenzen ähnliche Tests für eine NTC-Erhöhung geplant?
Bisher nicht, aber auch hier werden nach einem erfolgreichen Abschluss Überlegungen folgen.