Um das Übertragungsnetz sicher betreiben zu können, musste Swissgrid im Sommer 2019 die Exportkapazitäten (NTC) an der Schweizer Nordgrenze für den Export nach Deutschland reduzieren. Bisher galt für den Export aus der Schweiz nach Deutschland ein statischer, mit den benachbarten Übertragungsnetzbetreibern abgestimmter, NTC-Wert in Höhe von 4000 MW.
So treten in den Sommermonaten vermehrt Situationen auf, in denen Deutschland stark aus dem Ausland importiert hat, einschliesslich der Schweiz. Hierdurch entstand ein Wechsel von der bisher typischen «Nord-Süd»-Stromflussrichtung in Richtung Italien zu einer entgegengesetzten «Süd-Nord»- Stromflussrichtung in Richtung Deutschland.
In der Schweiz sind in den Sommermonaten des laufenden Jahres verschiedene Faktoren im Übertragungsnetz und im Markt zusammengekommen:
- Die vorteilhafte hydrologische Situation führte zu einer hohen Produktion der Schweizer Wasserkraft.
- Die Revisionszeiten der Schweizer Kernkraftwerke sowie die saisonalen Ausserbetriebnahmen und Baumassnahmen des Übertragungsnetzes führten dazu, dass die Energieversorgung der Lastzentren im Norden der Schweiz zwischen Juni und August überwiegend durch Wasserkraft südlich der Alpen oder aus Frankreich stattfand.
- In Kombination mit dem erhöhten Export nach Deutschland entstanden hierdurch wesentlich höhere Lastflüsse auf dem Schweizer 220-kV-Netz.
- Zusätzlich wurden diese Flüsse aus dem 220-kV-Netz durch eine erhöhte Exportmöglichkeit von Frankreich in Richtung Deutschland (durch das «Flow-Based Market Coupling» der CWE- Region) und allfällige Transite durch die Schweiz verstärkt.
Im Übertragungsnetz der Schweiz kam es somit an mehreren Tagen im Sommer zu Rekordexporten von bis zu 8000 MW. Die Netzbelastung war entsprechend hoch und es gab vermehrt Verletzungen im (n-1)-Fall.
Als Konsequenz hat Swissgrid im Rahmen der regulären operativen Prozesse mit den benachbarten Übertragungsnetzbetreibern die NTC-Werte eingeschränkt, um den gesicherten Netzbetrieb zu gewährleisten.
Durch die NTC-Einschränkung steht in der entsprechenden Tagesauktion (via der Kapazitätsauktionsplattform JAO) teilweise keine zusätzliche Kapazität mehr zur Verfügung. In solchen Fällen können die Marktteilnehmer lediglich auf die bereits erworbenen Monats- und Jahresrechte zurückgreifen.
Swissgrid hat bereits im vergangenen Jahr die zur Verfügung stehenden Kapazitäten für die Monats- und Tagesauktionen in den Sommer- und Herbstmonaten reduzieren müssen. Für die kommenden Jahre erwartet Swissgrid eine Fortsetzung dieses Trends.
Swissgrid arbeitet gemeinsam mit den ausländischen Übertragungsnetzbetreibern an der Optimierung der Grenzkapazitäten, um den Marktteilnehmern möglichst hohe Kapazitäten für den Handel anzubieten. Dabei ist davon auszugehen, dass der bisherige statische Wert von 4000 MW durch saisonal angepasste, d.h. dynamische, NTC-Werte ersetzt wird.
Derzeit kann wegen verschiedenen noch offenen Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des seit dem 1. Juli in der Europäischen Union in Kraft getretenen Clean Energy Packages noch keine Vorhersage gemacht werden, wie sich die NTC-Werte an der Schweizer Nordgrenze entwickeln werden.