Alle Elektriker werden Ihnen dasselbe sagen: Das Erste, was sie zu Beginn ihrer Ausbildung gelernt haben, ist, dass man sich vor der Durchführung von Arbeiten immer vergewissern muss, dass der Strom abgeschaltet ist. Seit dem 1. Oktober 2020 stimmt dies in der Schweiz nicht mehr so ganz.
Seit den 80er Jahren entwickelt Airtelis, eine Tochtergesellschaft von RTE, dem französischen Pendant von Swissgrid, eine Methode und Technologie, die es ermöglicht, Wartungsarbeiten insbesondere an Höchstspannungsleitungen sicher durchzuführen, ohne den Strom abzuschalten!
Das in Europa und weltweit anerkannte Know-how von Airtelis hat das Interesse von Swissgrid geweckt. Ein erstes Pilotprojekt wurde am vergangenen 1. Oktober in der Gegend von Lausanne durchgeführt. Swissgrid beauftragte Airtelis, eine orange Flugwarnkugel am Erdseil der 380-Kilovolt-Leitung Chamoson – Romanel anzubringen. Nur wenige hundert Meter vom Unterwerk Romanel entfernt, im Landekorridor des Flughafens Lausanne-Blécherette.
Am Vormittag empfingen die Swissgrid Vertreter Marcel Lenzin, Head of Grid Delivery, Rolf Tschampion, Head of Region West und die Swissgrid Vertreterin Cécile Jost, Grid Maintenance Manager, das Airtelis/RTE-Team von rund 15 Fachkräften auf dem Rollfeld des Flughafens Lausanne.
Der Helikopter, ein zweimotoriger Eurocopter EC135 in den Farben des Unternehmens RTE, wurde speziell für die Arbeiten unter Spannung angepasst und unter anderem mit zahlreichen Spiegeln und einer Bordkamera ausgestattet. Um die Arbeit der beiden Piloten zu erleichtern und es ihnen zu ermöglichen, mit eigenen Augen die Position und Stabilität des Montagewagens während des Fluges zu überprüfen, wurden sämtliche Türen des Helikopters vor dem Abflug entfernt.
Anschliessend wurde ein spezieller Montagewagen mit isolierenden Antirotationsseilen am Helikopter befestigt. Diese Seile haben eine Lebensdauer von zwei Jahren und werden nach zwölf Monaten auf ihre Isolierfähigkeit hin überprüft. Das gesamte Isoliermaterial ist rot eingefärbt, um die Kontrolle des Verankerungsablaufs zu vereinfachen. Die beiden RTE-Mitarbeiter, die die Flugwarnkugeln vom Montagewagen aus installierten, trugen einen Anzug, der speziell für Arbeiten unter Spannung entwickelt wurde. Diese Kleidung schützt die Träger wie ein Faradayscher Käfig und erlaubt es ihnen, ihre Arbeit in völliger Sicherheit durchzuführen. Das französische Team war sehr wachsam und sich der Wichtigkeit der Aufgabe bewusst. Es benötigte nur 30 Minuten, um alle vorbereitenden Arbeiten nach einem genau festgelegten Prozess durchzuführen, der strikt eingehalten wurde.
Nach einem letzten Briefing ging es los. Der Helikopter startete am Mittag. Fünf Minuten später befestigten die beiden Monteure die Flugwarnkugel am Erdseil der 380-kV-Leitung Chamoson – Romanel, ohne dass diese vorher abgeschaltet worden war. Um 12.20 Uhr war die Arbeit getan und der Helikopter setzte den Montagewagen wieder sanft auf der Rollbahn des Flughafens Lausanne-Blécherette ab.
Die Vorteile einer solchen Technologie sind offensichtlich. Derzeit erfordert jede Wartungsarbeit am Höchstspannungsnetz von Swissgrid eine Ausserbetriebnahme der betroffenen Anlage. Dies bringt eine Reduktion der Übertragungskapazität und eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Swissgrid Mitarbeitenden der Netzleitstelle mit sich, die mit der Koordination der Abschaltung betraut sind. Swissgrid wird nun die Erfahrungen aus diesem Pilotprojekt analysieren, bei dem erstmals Wartungsarbeiten unter Spannung durchgeführt wurden. Wird diese Technologie künftig generell für Arbeiten unter Spannung in der Schweiz angewandt werden? Die Zukunft wird es uns zeigen. Auf jeden Fall danken wir den Mitarbeitenden von Airtelis/RTE. Die Arbeit wurde sehr gut und sicher durchgeführt.