Die Wasserversorgung ist ein Mehrgenerationenprojekt

Ohne Wasser kein Leben, ohne Strom kein funktionierender Alltag. Beide gelangen über ein ausgeklügeltes Leitungsnetz von der Quelle bis in den Haushalt.

Autorin: Silvia Zuber


Obwohl die Wasserversorgung von nationaler Bedeutung ist, sind im Gegensatz zum Höchstspannungsnetz meist die Gemeinden verantwortlich. Mit einer stärkeren Vernetzung wäre man besser für die Versorgungssicherheit und die Qualitätssicherung gewappnet.

Bei der Wasserversorgung Zürich ist Dr. Andreas Peter Leiter Qualitätsüberwachung. Als Leiter der Abteilung Trinkwasser der wirtschaftlichen Landesversorgung befasst er sich regelmässig mit Fragen zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung in Notlagen.

Im Interview: Dr. Andreas Peter, Leiter Qualitätsüberwachung bei der Wasserversorgung Zürich

«Die Schweiz droht auszutrocknen.» Was denken Sie, wenn Sie eine solche Schlagzeile lesen?
Vor ein paar Jahren hat man gedacht, «Wasser-Stress» würde für die Schweiz nie ein Thema werden. 2018 war dann ein Weckruf. In vielen kleineren Gemeinden wurde das Wasser knapp. Von einer Krise kann man aber nicht sprechen, die Schweiz hat mehr als genug Trinkwasser. Auch langfristig ist die Versorgungssicherheit gegeben. Allerdings müssen wir das Thema der regionalen Vernetzung angehen.

Die Wasserversorgung ist nicht schweizweit vernetzt?
Nein, im Gegensatz zur Stromversorgung ist die Wasserversorgung vielerorts ein Inselbetrieb. Die Infrastruktur ist sehr dezentralisiert. Es gibt zirka 2500 Wasserversorger, praktisch jede Gemeinde hat ihre eigene Versorgung. Das ist über die letzten 100 bis 150 Jahre historisch so gewachsen. In den grösseren Agglomerationen gibt es Vernetzungen über die Gemeindegrenzen hinaus.

Zurück zum Wasser-Stress: Wir müssen also nicht anfangen, Wasser zu sparen?
Diese Frage muss man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Wasser ist ein wertvolles Gut, das nicht verschwendet werden sollte. Dank der vielseitigen Wasserressourcen sind wir in der glücklichen Situation, nicht wie andere europäische Länder zum Sparen aufrufen zu müssen. Je nach Region kann zum Beispiel Quell-, Grund- oder Oberflächenwasser bezogen werden. Die Infrastruktur für die Wasserversorgung ist ausserdem auf einen gewissen Verbrauch ausgelegt. Geht der Verbrauch zu weit zurück, bleibt das Wasser zu lange stehen. Dies kann zu einer Qualitätsminderung führen, das Wasser schmeckt nicht mehr so frisch. Ist das Wasser nicht im Fluss, müssen ab einem gewissen Zeitpunkt Spülungen durchgeführt werden.

Wie steuert man die Wasserversorgung und gewährleistet die Verfügbarkeit von Wasser?
Was die kurzfristige quantitative Versorgung betrifft, wird mit Überkapazitäten bei den Speichervolumen, sprich den Reservoiren, und bei der Wassergewinnung gearbeitet. So können die täglichen Verbrauchsspitzen auch während trockenen Perioden gedeckt werden. Die Wasserreservoire werden in Echtzeit überwacht. Fällt der Pegel unter einen kritischen Punkt, schalten sich automatisch Pumpen ein. Tun sie dies nicht, wird ein Alarm ausgelöst.

Der Aufwand für die Vernetzung ist überschaubar.

Dr. Andreas Peter

 
Und langfristig?
Langfristig wird mit der generellen Wasserversorgungsplanung eine Prognose erstellt. Da fliessen zum Beispiel Annahmen über die Bevölkerungsentwicklung oder den Wasserverbrauch ein. Die Wasserversorger müssen gewährleisten, dass sie in 25 oder 30 Jahren den entsprechenden Verbrauch abdecken können. Die notwendige Infrastruktur hat gar eine Lebensdauer von 50 bis 100 Jahren. Dies macht Wasserversorgung zu einem Mehrgenerationenprojekt.

Gibt es eine nationale Koordinations- oder Leitstelle für die Wasserversorgung?
Auf nationaler Ebene ist das Bundesamt für Umwelt für den Schutz der Wasserressourcen verantwortlich. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung macht Vorgaben zur Trinkwasserversorgung in Notlagen. Ansonsten sind die Kantone, in der Regel die Umweltämter, für die Wasserversorgung verantwortlich. Der eigentliche Versorgungsauftrag wird von den Gemeinden bzw. den Wasserversorgungsbetreibern übernommen.

Im Interview: Dr. Andreas Peter

Besteht bei dieser dezentralen Organisation nicht die Gefahr, dass man sich gegenseitig das Wasser wegnimmt?
Früher gab es das. Heute wird vom Bundesamt für Umwelt ein Wasserressourcenmanagement empfohlen, bei dem die Kantone kooperieren und sich koordinieren. Damit es keinen Wildwuchs gibt und der Grundwasserspiegel nicht absinkt, erteilt der jeweilige Kanton Konzessionen zur Wassergewinnung. Man weiss aufgrund hydrologischer Untersuchungen, wie viel Grundwasser nachfliesst, und damit, wie viel genutzt werden kann. So ist gewährleistet, dass es keine Übernutzung gibt.

Sie erwähnten eingangs, dass die Vernetzung in der Schweiz weiter zunehmen muss.
Ja, genau. Der Kanton Zürich beispielsweise plant und baut bereits in diese Richtung. Es soll ein kantonaler Trinkwasserverbund mit überregionalen Verbindungsleitungen ins Leben gerufen werden. Es wird aber wohl noch dauern, bis die ländlichen Regionen so weit sind. Folgen weitere trockene Jahre wie 2018, wird der Druck zunehmen. Der Aufwand für die Vernetzung ist überschaubar, da man vielerorts an bestehende Versorgungsleitungen andocken könnte. Ganz ohne Ausbau ginge es aber nicht, da nicht überall die für die Versorgungssicherheit nötigen Kapazitäten bestehen.

Wie sieht es bezüglich Vernetzung auf internationaler Ebene aus?
Es gibt im europäischen Raum und auch global verschiedene Verbände und Interessengemeinschaften. Diese setzen sich zum Beispiel für die Wasserqualität ein oder dafür, dass die Wasserressourcen für die nächsten Generationen gesichert sind. Die Schweiz gilt hier als Vorbild. Wir bekommen immer wieder Besuch von Experten aus dem Ausland. Diese informieren sich, wie in der Schweiz die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung funktionieren. Es geht bei der Vernetzung hauptsächlich um den Know-how-Austausch und gegebenenfalls um technische Ausrüstung und Dienstleistungen. Ich denke nicht, dass die Schweiz zukünftig im grösseren Stil Wasser exportieren wird.

Unser hohes Niveau zu halten, ist eine Herausforderung.

Dr. Andreas Peter

 
Die Wasserversorgung gilt als kritische Infrastruktur. Was heisst das?
Wasser ist lebensnotwendig, es gibt keine Substitution dafür. Entsprechend muss die Versorgung gewährleistet sein. Wie man aus anderen Regionen der Welt weiss, bricht schnell eine Krise aus, wenn die Wasserversorgung zusammenbricht. Es geht jedoch nicht nur darum, die notwendige Menge bereitzustellen. Sondern auch darum, die gesetzlich vorgegebenen Qualitätsanforderungen für Nutz- und Trinkwasser zu gewährleisten.

Welche Krisenszenarien gibt es?
Wasserverschmutzung ist ein Szenario. Es gibt Empfehlungen vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches, wie man sich vorbereitet und wie im Verschmutzungsfall sinnvoll reagiert wird. Wir gehen aber zum Beispiel davon aus, dass unsere Wasserversorgung für Verschmutzungsanschläge nicht attraktiv ist. Aufgrund der grossen Wassermenge im System ist der Verdünnungsgrad enorm. Ausserdem wird nur ein geringer Teil der 150 Liter, die täglich pro Person verbraucht werden, getrunken. Das meiste Wasser geht im wahrsten Sinne des Wortes das WC runter. Ein gewichtigeres Thema sind Cyber-Attacken auf die Leitstellen der Gemeinden. Auch in der Wasserversorgung ist vieles digitalisiert. Entsprechend haben wir in den letzten Jahren einiges investiert und sind gut aufgestellt.

Wie fassen Sie die Herausforderungen für die Wasserversorgung zusammen?
Unser hohes Niveau zu halten, ist eine Herausforderung. Wir haben in der Schweiz das Glück, dass wir über eine gut ausgebaute Infrastruktur und genügend Wasser verfügen. Wir profitieren jedoch von den Leistungen der letzten Jahrzehnte. Das ist gefährlich. Man darf den Moment nicht verpassen, um Themen wie den Klimawandel, Nutzungskonflikte oder die Digitalisierung anzugehen. Geht es um die operativen Tätigkeiten in der Wasserversorgung, sind die Anforderungen stark gestiegen. Die Verantwortung für die Wasserversorgung ist in den Gemeinden oft ein Nebenjob. Es braucht eine Professionalisierung und Weiterbildungen, um den Qualitätsvorgaben gerecht zu werden. All dies zwingt uns, mehr zusammenzuspannen.


Fakten zur Wasserversorgung

  • 1 Milliarde m3 Trinkwasser stellen die Wasserversorgungsbetriebe jährlich bereit.
  • Unser Trinkwasser wird zu 36% aus Quellwasser, zu 43% aus Grundwasser und zu 21% aus Oberflächenwasser (Seen, Flüsse) gewonnen.
  • 887 Millionen Franken werden jährlich in den Erhalt der Infrastruktur investiert.
  • 90 116 km Leitungen umfasst das Verteilnetz der Wasserversorgungen. Dies entspricht mehr als dem zweifachen Erdumfang.
  • Fast 55% des Wasserverbrauchs in einem Privathaushalt werden durch Dusche, Bad und Toilette verursacht.
  • Wasserabgabe:
    • Haushalte und Kleingewerbe 54,4%
    • Gewerbe und Industrie 25,3%
    • Öffentliche Zwecke und Brunnen 4,9%
    • Selbstverbrauch 2,2%
    • Verluste 13,0%

Autorin

Silvia Zuber
Silvia Zuber

Project Manager


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