Elektrizität wurde nie erfunden – es gab sie schon immer. Sie ist ein natürliches Phänomen. Erfunden wurde alles drum herum: Wie wir Elektrizität produzieren können, wie sie zu Unternehmen und Haushalten transportiert wird und wie sie im Alltag genutzt werden kann. Mit dieser Blogreihe führen wir Sie durch eine Zeitreise der Entwicklung der Energieversorgung in der Schweiz. 1672 erfindet zum ersten Mal der Physiker Otto von Guericke eine Maschine, die elektrische Ladungen erzeugen kann – der erste Generator. Genau 100 Jahre später konstruiert Alessandro Volta die erste Batterie, die anhand einer chemischen Reaktion Strom erzeugt.
Die ersten Kraftwerke
Machen wir einen Sprung in das 19. Jahrhundert. Zu Beginn der Industrialisierung, gegen 1850, stand in Grossbritannien massenhaft billige Kohle zur Verfügung. Deshalb wurden kohlefreundliche Technologien entwickelt, unter anderem um Strom zu produzieren. In ganz Europa breitete sich das Kohleregime zur Stromproduktion aus. In der Schweiz sah die Situation anders aus als in den meisten Ländern Europas. Die Schweizer Kohlegruben gaben nur wenig Rohstoff in geringer Qualität her. Somit war die Schweiz auf die Einfuhr von Kohle aus dem Ausland angewiesen. Dazu fehlten wiederum die technischen Voraussetzungen. Als Alternativen zur Kohle nutzte die Schweiz Wasserkraft und Holz. In den 1860er-Jahren begann der Aufbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes. Damit verbesserte sich der Verkehrsanschluss zum Ausland und es konnte unter anderem Kohle mit der Eisenbahn in die Schweiz geliefert werden. Kohle entwickelte sich nun auch in der Schweiz zum Primärenergieträger.
Innerhalb der eigenen Grenzen
Während des Ersten Weltkriegs erlitt die Schweiz einen Mangel an fossilen Brennstoffen, da sie aufgrund der geopolitischen Situation erneut keine Kohle aus dem Ausland importieren konnte. Mit der Mangellage als Ausgangspunkt konzentrierte sich die Schweiz fortan auf die Herstellung der Elektrizität durch im Land vorkommende Rohstoffe. Vor allem die Wasserkraft wurde in grossem Mass ausgebaut. Die Alpenländer waren an dieser Technologie interessiert, da fliessende Wasserläufe, vor allem im Gefälle, wie sie in den Alpen en masse vorkommen, sich gut zur Energiegewinnung eignen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten grossen Laufkraftwerke gebaut. 6714 Wasserkraftwerke gab es im Jahr 1914 in der Schweiz. Nur 14 davon hatten eine Leistung von mehr als 10 Megawatt – die restlichen waren Kleinwasserkraftwerke. Durch die Verfügbarkeit von günstigerem Strom aus Grosskraftwerken, wurden viele davon stillgelegt. Heute gibt es 650 Wasserkraftwerke in der Schweiz und rund 1000 Kleinwasserkraftwerke – also gesamthaft vier Mal weniger Kraftwerke als noch vor 100 Jahren.
Der erste bedeutende Zusammenschluss zweier Technologien in der Schweiz bildet das Hochdruckwasserkraftwerk am Löntsch, welches 1908 in Betrieb genommen wurde. Es ist ebenfalls der erste Stromverbund der Nordostschweizerischen Kraftwerke, heute als Axpo bekannt. Zum einen besteht dieser aus dem Speicherkraftwerk Löntsch und zum anderen aus dem Niederdruckkraftwerk in Beznau. Mit dieser Technik ist es möglich, die Ausfälle von Laufkraftwerken im Winter durch das gespeicherte Wasser in den Stauseen zu kompensieren.
6714 Wasserkraftwerke gab es im Jahr 1914 in der Schweiz. Heute gibt es 650 Wasserkraftwerke in der Schweiz und rund 1000 Kleinwasserkraftwerke – also gesamthaft vier Mal weniger Kraftwerke als noch vor 100 Jahren.
Der Schweizer Kantönligeist
Die Kraftwerke wurden vor allem bei grossen Mittellandflüssen und in der Nähe der grossen Verbraucherzentren gebaut. Das Stromnetz musste ausgebaut werden, um den Strom aus den neuen Kraftwerken zu transportieren. Für solche Projekte waren unterschiedlichste Unternehmen verantwortlich. Von öffentlich-staatlichen zu privaten, kleine, grosse – es gab verschiedene Dienstleister der Leitungsinfrastruktur. Mehr als 100 Elektrizitätswerke entstanden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Bereits 1920 gab es erste Bestrebungen, die Stromleitungen einer einzigen Dachgesellschaft unterzuordnen. Damals scheiterte die Initiative am «Kantönligeist». Deshalb entstand das Schweizer Stromnetz in verschiedenen Teilen des Landes separat. 1937 schlossen die Romandie und die Deutschschweiz ihre Netze zusammen. Ab 1950 fand dann die Zusammenschaltung aller Schweizer Stromnetze statt. Der Grund für das erneute Interesse an einem einheitlichen Stromnetz waren die neuen Produktionsstandorte, die durch den Ausbau der Wasserkraft entstanden. Die Energie wurde nicht mehr lokal produziert und verbraucht, sondern zentral produziert und grossflächig verteilt. So entstand das Schweizer Verbundnetz. Der nächste Meilenstein in den 50er Jahren war der Zusammenschluss des französischen, deutschen und schweizerischen Stromnetzes – damit entstand das kontinentaleuropäische Verbundnetz.
Bereits 1920 gab es erste Bestrebungen, die Stromleitungen einer einzigen Dachgesellschaft unterzuordnen. Damals scheiterte die Initiative am «Kantönligeist».
Der Geburtsort Laufenburg
Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Stromverbrauch in Europa stark an. Einige Länder konnten den Strombedarf nicht mehr mit der Produktion im eigenen Land decken, während andere Länder einen Produktionsüberschuss hatten. Die Lösung dazu: ein europäisches Verbundnetz. Nachdem die Schweiz den «Kantönligeist» überwinden konnte und die Elektrizitätswerke im Land ihre Stromnetze zusammenschlossen, gingen sie noch einen Schritt weiter: 1958 wurden im Unterwerk im aargauischen Laufenburg die Stromnetze der Schweiz, Frankreichs und Deutschlands zusammengeschlossen. Damit entstand das kontinentaleuropäische Verbundnetz. Mittlerweile sind über 30 Länder im europäischen Verbundnetz miteinander und die Schweiz durch 41 Grenzleitungen mit den Nachbarstaaten verbunden. Dadurch wird es möglich, Stromengpässe in einzelnen Ländern zu überwinden, Kraftwerkausfälle und Überproduktionen zu kompensieren und Überlastungen zu vermeiden.
Das Her(t)z des europäischen Verbundnetzes
Das Unterwerk und die grenzüberschreitenden Leitungen wurden als «Stern von Laufenburg» bekannt. Das Institute of Electrical and Electronics Engineers zeichnete es im Jahr 2010 in New York als historischen Meilenstein der Stromgeschichte aus.
Während Wasserkraft immer noch einer der wichtigsten inländischen Energielieferanten im Schweizer Strommix ist, gibt es keine Kohlekraftwerke mehr. Die Kohle blieb hierzulande bis etwa 1960 ein wichtiger Brennstoff. Dann wurde sie schnell vom Erdöl abgelöst – dazu mehr in unserem nächsten Blog.