Die Haustüre öffnet sich, im Gang geht das Licht an, die Lieblingsplaylist startet und füllt das Wohnzimmer mit entspannter Musik. Um die Atmosphäre nicht zu stören, beendet der Staubsaugerroboter seine Tour und fährt zurück an die Ladestation. Just in diesem Moment klingelt es an der Tür: Ein Lieferdienst bringt die Einkäufe. Bereits am Morgen hat der Kühlschrank vollautomatisch erfasst, was fehlt und diese Lebensmittel autonom beim Grossverteiler bestellt. Schön, gibt es wieder Butter, Käse und Milch im Haus. Es ist nun 19.15 Uhr, die Audioanlage wechselt automatisch zum Radioprogramm. Es erklingt die vertraute Stimme des Moderators aus den Lautsprechern. Zeit, die Beine hochzulegen. Das Licht dimmt sich von selbst, endlich kommt man zur Ruhe.
Zukünftig leben wir in einem digital durchoptimierten, vernetzten Zuhause, in dem alles – oder eben fast alles – wie von Zauberhand funktioniert. So die Vision, welche unter dem Begriff Smarthome kursiert und bei einigen Personen bereits die Frage aufwirft: Ist das Alles nicht einfach eine unnötige Spielerei ohne wirklichen Mehrwert? Die ehrliche Antwort darauf lautet wohl: Kommt darauf an. Interessant könnte es selbst für Skeptiker werden, wenn ein solches Smarthome zum optimierten Energieverbrauch beiträgt. Wenn also Verbrauchsgeräte wie Heizungen, Klimaanlagen, E-Autos, Waschmaschinen, Geschirrspüler oder Tumbler über ein intelligentes Stromnetz und mit einem Energiemanagementsystem miteinander verbunden sind. So könnte das E-Auto den Akku genau dann laden beziehungsweise die Heizung genau dann Warmwasser erzeugen, wenn viel Strom verfügbar und deshalb günstig ist. Der Stromverbrauch wird also künftig noch stärker mit der Stromproduktion gekoppelt, beispielsweise mit einer Solaranlage auf dem eigenen Dach. Dieses auf die Produktion angepasste Verbrauchsverhalten schont nicht nur das Portemonnaie, es trägt auch dazu bei, Engpässe im Stromnetz zu vermeiden. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, sprich die CO2-Emissionen bis ins Jahr 2050 zu reduzieren, wird der Ausbau von Solaranlagen und Elektroladestationen vorangetrieben. Durch die stärkere Koppelung von Stromverbrauch und -produktion kann der Netzausbau minimiert und optimiert werden. Das Stromnetz wird nicht auf Vorrat ausgebaut, was wiederum niedrigere Kosten für alle bedeutet.
Unendliche Möglichkeiten...
Unser Strombedarf ändert sich schnell. Der Szenariorahmen Schweiz des Bundesrates geht davon aus, dass der Stromverbrauch der Schweiz – je nach Szenario – von heute 58 Terawattstunden auf 61 bis 74 Terawattstunden steigen wird. Das Stromnetz der Zukunft funktioniert längst nicht mehr als Einbahnstrasse: Konsumenten werden zunehmend zu Stromproduzenten. Das Netz könnte mit Automatisierungssystemen ausgerüstet werden und dank Cloud-Services und Internet of Things (IoT) alle mit ihm verbundenen Geräte steuern – das Netz wird quasi zum internetfähigen Computer. Die Solaranlage auf dem Dach wird in das intelligente Stromsystem des Verbrauchers miteingebunden, der eigene Solarstrom kann nun direkt vor Ort verbraucht oder für später gespeichert werden. Beispielsweise in der Batterie des in der Garage angeschlossenen Elektro-Autos. Was passiert aber an einem extrem sonnigen Tag, wenn die Produktion auf Hochtouren läuft und alle eigenen Speicher vollgeladen sind? Kein Problem: Dank des intelligenten Stromnetzes. Der überschüssige Strom wird ins lokale Verteilnetz eingespeist. Er kann beispielsweise von den Nachbarn genutzt werden, welche sich zu einer Verbrauchergemeinschaft zusammengeschlossen haben oder er wird von einem Stromunternehmen gekauft, das den Strom weiter vermarktet. Strom verbrauchen, speichern und wieder ins Netz einspeisen, alles ist zeitlich perfekt aufeinander abgestimmt, vollkommen automatisiert und zum eigenen finanziellen Vorteil. Eine Win-Win-Situation für Stromkundinnen und Netzbetreiber.
Erstmal wird es entscheidend sein, wie sich die Preise für solche smarten Geräte, Solaranlagen, Speicher, Steuergeräte weiterentwickeln.
Thomas Conrad, Eniwa AG
…und fast so viele Herausforderungen
Damit die Vision von einem intelligenten Haus und Netz (Smart Grid) Wirklichkeit wird, braucht es Smart Meter und Steuergeräte, damit sowohl Prosumer (Endverbraucher, die auch Strom erzeugen) als auch Netzbetreiber die benötigten Daten und Informationen zu Produktion und Verbrauch jederzeit einsehen und beeinflussen können. Die zusätzlichen Daten bietet die Chance, die Stromversorgung zuverlässiger und effizienter zu machen. Bis zu einer Realisierung gilt es ein paar Hürden zu meistern. «Erstmal wird es entscheidend sein, wie sich die Preise für solche smarten Geräte, Solaranlagen, Speicher, Steuergeräte weiterentwickeln», sagt Thomas Conrad, Leiter Asset Management vom Verteilnetzbetreiber Eniwa in Aarau. Schliesslich müssten sich solche Investitionen für den Hausbesitzer und den Netzbetreiber aus finanzieller Überlegung auch lohnen. «Dies ist heute in gewissen Bereichen noch nicht der Fall wie beispielsweise in der Umsetzung von intelligenten Steuergeräten in Kombination mit einer Echtzeit-Kommunikation. Die Verschmelzung oder sogenannte Netzkonvergenz zwischen Stromnetz und Kommunikationsnetz ist aber eine wichtige Grundlage, damit der intelligente Austausch zwischen Netzbetreiber und Prosumer funktioniert.»
Der Erfolg solcher Modelle hat aber nicht nur mit den Preisen für die smarten Gerätschaften zu tun, sondern auch mit dem statischen Preismodell (Stromtarife für Endkunden sind fix, anders als an der Strombörse wo sie stündlich schwanken). Der Endverbraucher kann heute nicht kurzfristige Preisdifferenzen auszunutzen. Zukünftig soll die Waschmaschine aber genau dann automatisch starten, wenn der Strompreis tief ist, der in einem Speicher verfügbare Solarstrom zu dem Zeitpunkt eingespeist werden, wenn es finanziell lukrativ ist. Ohne stündliche Informationen zu Stromnachfrage, Speicherständen, Stromproduktion und darauf basierend stündlichen Strompreisen funktioniert ein solches System eben nicht. Das Stromnetz wird also dereinst mit einem Informationsnetz und flexiblen Preisen ergänzt werden müssen. «Heute lesen wir etwas überspitzt gesagt einmal im Jahr die Stromzähler der Haushalte ab. In Zukunft werden dank flächendeckender Installation von intelligenten Stromzählern (Smart Meter) die Verbrauchs- und Erzeugerdaten in grösserer Auflösung und fortlaufend bei uns eintreffen», sagt Conrad.
Prosumer, Verteilnetzbetreiber und Stromversorger werden in Zukunft mit einer ungeheuren Datenmenge konfrontiert sein. Diese produktiv zu nutzen, wird eine der grossen Herausforderung werden und benötigt eine gesetzliche Grundlage zum Sammeln und Weiterverarbeiten der Daten. «Darauf aufbauend werden die Stromversorger ihre Strombeschaffung und die Netzbetreiber ihr Engpassmanagement und ihre Aufgaben im Bereich der strategischen, langfristig orientierten Netzentwicklung optimieren. Ein effizienter und effektiver Umgang mit Daten wird in vielen Überlegungen an Bedeutung gewinnen», ist Conrad überzeugt.
Ein Zuhause ist also nur dann intelligent, wenn die notwendige Infrastruktur – das Stromnetz – mit der Digitalisierung und dem Umbau des Energiesystems Schritt hält. Wie Smarthome, Smartgrid und das von Swissgrid betriebene Übertragungsnetz zusammenhängen, erfahren Sie in den nächsten Beiträgen der Blog-Serie «unser Netz».