Stromtrassees und Unterwerke scheinen auf den ersten Blick nicht unbedingt ein Hort der Biodiversität zu sein. Doch mit ihren sandigen und steinigen Freihaltezonen bieten sie vielerorts perfekte Bedingungen für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Davon profitieren zum Beispiel viele einheimische Wildbienenarten, die in selbstgegrabenen Gängen im Boden brüten und auf Sandböden an besonnter Lage angewiesen sind. Um diese Lebensräume mitsamt ihrer Flora als Nahrungsquelle wirksam zu fördern, reicht oftmals eine Anpassung des Mähzeitpunktes.
Unterschätzte Wildbienen
Wildbienen fristen neben den Honigbienen ein Schattendasein. Dabei existieren weltweit über 16 000 Bienenarten, von denen über 600 auch in der Schweiz vorkommen. Dieser Artenreichtum ist wenig bekannt und darauf zurückzuführen, dass Wildbienen nicht für die Honigproduktion eingesetzt werden.
Wildbienen sind auch unauffälliger als die staatsbildenden Honigbienen, da die meisten als Einzelbrüter leben. In ihrer kurzen Lebenszeit bauen Wildbienen ein Nest, versorgen ihre Larven und sind meist eng an Blüten bestimmter Pflanzen gebunden. Über ein Drittel der Bienenarten der Schweiz sammeln Pollen ausschliesslich von einer Pflanzenart oder -gattung. Sie können nur dort existieren, wo solche Blüten reichlich zur Verfügung stehen.
«Um den Rückgang der Wildbienenbestände zu stoppen, müssen möglichst viele Lebensräume mit einer grossen Vielfalt an Pflanzen und Nistmöglichkeiten geschaffen werden.»
Jeannine Suremann
Im Einsatz für die Biodiversität
Magerwiesen mit ihren zahlreichen Pflanzenarten wären ein idealer Lebensraum, sind in der Schweiz jedoch selten geworden. Die Vielfalt und Häufigkeit von Wildbienenarten und auch von anderen Insekten hat durch diesen Verlust ihrer Nahrung- und Nistmöglichkeiten deutlich abgenommen. Die Wildbienen spielen jedoch eine Schlüsselrolle für die Biodiversität, denn sie ermöglichen die Fortpflanzung von Wild- und Kulturpflanzen.
Eine der Massnahmen von Swissgrid ist es, Grünflächen wie beispielsweise Magerwiesen auf den Stromtrassen und bei Unterwerken erst nach Mitte Juni oder nach der Blüte ein erstes Mal mähen zu lassen. Durch spätere und weniger Eingriffe kann sich so ein Lebensraum mit ausreichend Nahrungs- und Rückzugsangebot entwickeln.
Dabei wird, wo nötig, einer drohenden Verbuschung Einhalt geboten. Weitere Massnahmen betreffen den Schutz oder die Förderung von Sand- und Steinlinsen, damit die Wildbienen genügend Nistplätze vorfinden. Schottersteine und veritable Steinhaufen eignen sich hierfür ebenfalls und bieten auch Wieseln und anderen grösseren Tierarten ein Zuhause.
Jeannine Suremann arbeitet als Grid Project Engineer mit dem Schwerpunkt Umwelt bei Swissgrid. Als solche begleitet sie Netzbauprojekte zum Thema Umwelt und beschäftigt sich mit der Umweltkonformität von Leitungen und Unterwerken sowie Biodiversität- und Artenförderung. Jeannine Suremann hat einen Master in Geografie der Universität Zürich.