Innovation

«Der Bedarf an Speichern hängt von verschiedenen Faktoren ab»

Autorin: Silvia Zuber

In windstillen Zeiten, wasserarmen Perioden oder an dunklen Wintertagen – Auch nach der Energiewende muss die Nachfrage nach Strom jederzeit gedeckt werden können. Dafür stehen diverse Speichertechnologien zur Verfügung, die im Energiesystem unterschiedliche Rollen übernehmen.


Im Interview

Dr. Stefan Oberholzer
Dr. Stefan Oberholzer

Leiter BFE-Forschungsprogramm Photovoltaik

Herr Oberholzer, warum muss sich das Stromangebot flexibel der Nachfrage anpassen?

Stefan Oberholzer: Grundsätzlich gilt: Für die Stabilität des Stromnetzes muss immer gleich viel Strom angeboten wie nachgefragt werden. Mit der Energiewende kommen diesbezüglich neue Herausforderungen auf uns zu: Wind und Sonne liefern nicht immer dann Strom, wenn er benötigt wird. Diese Variabilität führt zu einem erhöhten Bedarf an Flexibilität, d.h. an Reaktionsmöglichkeiten, um bei schwankendem Stromverbrauch oder schwankender Stromerzeugung das System im Gleichgewicht zu halten.

Lässt sich diese Variabilität vorhersehen?

Nur bis zu einem gewissen Grad. Scheint die Sonne trotz anders lautender Wettervorhersage nicht, kann bei einer erhöhten Stromnachfrage nicht einfach die Stromproduktion hochgefahren werden. Saisonale Effekte lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Produktionsprofile der erneuerbaren Energien eher ausgleichen. Wasser- und Sonnenkraft stehen eher im Frühling und Sommer zur Verfügung, der Wind bläst stärker im Herbst.

Kann man die Nachteile der erneuerbaren Energien ausgleichen?

Das Schweizer Stromnetz spielt eine zentrale Rolle, um die Nachteile auszugleichen. Fehlen die Netzanschlussmöglichkeiten, um durch erneuerbare Energien hergestellten Strom zu transportieren, nützt die Erhöhung der hiesigen Produktionskapazitäten nichts. Ein Blick über die Schweiz hinaus verdeutlich, was getan werden sollte: Die International Energy Agency schreibt in einem Ende 2023 publizierten Bericht, dass sich auf globaler Ebene der Netzumbau und Netzausbau von Verteil- und Übertragungsnetzen bis 2040 verdoppeln muss. Sonst können die angestrebte Elektrifizierung mit erneuerbaren Energien – und damit die Klimaziele – nicht erreicht werden. Für die Schweiz gilt ähnliches.

Gibt es weitere Optionen?

Es müssen Speichermöglichkeiten geschaffen werden, um Strom zu speichern, wenn er produziert werden kann. Steigt die Nachfrage nach Strom zu einem Zeitpunkt, an dem nicht mehr produziert werden kann, kann man auf diese Reserven zurückgreifen. Solche Speicher können bei Privatpersonen, gewerblichen Anbietern oder Energieversorgungsunternehmen stehen.


Speichertechnologien im Überblick

Für die Speicherung wird Energie von einer Form in eine andere umgewandelt. Die erneute Umwandlung gibt die gespeicherte Energie als Strom wieder frei.

Arten von Energiespeichern sind zum Beispiel:

Mechanische Speicher
Mechanische Speicher

wie Pumpspeicherkraftwerke

Chemische Speicher
Chemische Speicher

wie Power-to-Hydrogen

Elektrochemische Speicher
Elektrochemische Speicher

wie Batterien


Wie viele solcher Speicher bräuchte es?

Der effektive Bedarf an Speichern bzw. Speicherkapazität hängt vom Netzausbau, von der Art und Menge der Stromproduktion und der Nachfragesteuerung ab. In der Schweiz ist in diesem Zusammenhang bereits einiges aufgegleist. Für den Netzausbau wurden mit dem Bundesgesetz «Strategie Stromnetze» schon 2019 die Rahmenbedingungen für den Um- und Ausbau und damit die Voraussetzungen für die Optimierung und Weiterentwicklung der Stromnetze verbessert.

Im Stromversorgungsgesetz hat man die Grundlage geschaffen, um geeignete Speicher im gesamten Stromsystem nutzen zu können. Speicherbetreiber sind per Gesetz Inhaber ihrer Flexibilitäten. Damit können sie diese dort anbieten, wo es dem System am meisten nützt. Insbesondere erhalten Eigenverbraucher Anreize, ihr erhebliches Flexibilitätspotenzial zu nutzen und so zusätzliche Einkünfte zu erzielen.

Ist von Stromspeicherung die Rede, denkt der Laie meist an Batterien. Welche anderen Technologien gibt es?

Nun, Batterien spielen eine grosse Rolle und werden zukünftig eine noch grössere bei der Speicherung von Strom spielen. Egal, ob es sich um mobile Batterien, wie beispielsweise in Elektrofahrzeugen, oder um stationäre Batterien handelt. Ausgehend von dem Szenario, dass die Stromproduktion zu 100% mit erneuerbaren Energien stattfinden wird, geht die finnische LUT-Universität davon aus, dass 2050 60% der gesamteuropäischen Energiespeicherung über Batterien erfolgen wird.

Grundsätzlich stehen für die Stromspeicherung verschiedene Speichertypen zur Verfügung. Es gibt mechanische Speicher wie Pump- oder Gravitationsspeicher. Batterien gehören zu den elektrochemischen Speichern. Kondensatoren sind elektrische Speicher, die Ladungen und die damit verbundene elektrische Energie eher kurzfristig in Form eines elektrischen Feldes speichern. Power-to-Gas oder Power-to-Wasserstoff sind chemische Speicher, worüber Energie über längere Zeiträume gespeichert werden kann. Power-to-Heat ist dagegen ein thermischer Speicher.

Haben diese Technologien unterschiedliche Rollen im Stromsystem?

Die offensichtliche Herausforderung besteht darin, dass an jedem Tag die Energienachfrage abgedeckt werden kann. Die Speichertechnologien müssen also windstille Zeiten, dunkle Wintertage oder wasserarme Perioden abdecken können.

Entsprechend macht es Sinn, auf verschiedene Technologien zu setzen. Speicherwasserkraftwerke spielen eine zentrale Rolle für den saisonalen Ausgleich. Dezentrale Batteriespeicher sind da eher im Bereich der Netzstabilisierung und des Tages-Ausgleiches zu sehen. Elektrolyseure, die erneuerbaren Strom zur Speicherung im Wasserstoff umwandeln, können auch eine ausgleichende Funktion im Stromsystem einnehmen.

Dezentrale Batteriespeicher eignen sich für die Netzstabilisierung und den Tages-Ausgleich. Auf der höchsten Netzebene sind und bleiben die Wasserspeicher von grosser Bedeutung.

Dr. Stefan Oberholzer

 
Welche Rolle spielen Speicher im Übertragungsnetz?

Auf der höchsten Netzebene sind und bleiben die Wasserspeicher von grosser Bedeutung. Gemäss dem etwas älteren Bericht «Energiespeicher der Schweiz» wird sich bis ins Jahr 2050 die ausgespeicherte Energie von Pumpspeichern, sprich die mit diesen Speichern zurückgewonnene Energie, mehr als verdoppeln. Aber auch andere Speicher in Kombination mit Sektorenkopplung können im Übertragungsnetz eine Rolle spielen. Unter Sektorenkopplung versteht man ganz allgemein die Verbindung der «Energiesektoren» Strom, Gas, Wärme und Verkehr. Die technischen Anlagen, Infrastrukturen und Märkte der verschiedenen Sektoren sollen stärker aufeinander abgestimmt werden, um so ein flächendeckendes, intelligentes Energiesystem zu etablieren. Die Speichermöglichkeiten in den Sektoren können auch im Übertragungsnetz eine Rolle spielen, zum Beispiel bei der Erbringung von Systemdienstleistungen.

Bei der Sektorenkopplung denkt man in grossen Dimensionen. Wie sieht es mit Speichern bei den Haushalten aus?

Etwa jedes dritte Einfamilienhaus mit Photovoltaikanlage war 2022 mit einem Batteriespeicher ausgerüstet. Es braucht künftig aber nicht in jedem Haushalt Speicher, um genügend Flexibilität bereitzustellen.

Für die Netzbetreiber geht es zudem darum, dass dezentrale Speicher möglichst «netzfreundlich» betrieben werden können. Der Einsatz von bidirektionalem Laden mit Elektrofahrzeugen oder lokale Elektrizitätsgemeinschaften, die ans Verteilnetz angeschlossen sind, bieten sicher einen grösseren Spielraum für den Einsatz von Speichermöglichkeiten.

Welche Speichertechnologien gewinnen zukünftig an Bedeutung?

Ich denke, dass Batterien von zentraler Bedeutung sein werden. Das soll aber nicht heissen, dass andere Speicherformen, wie etwa saisonale thermische Speicher in Verbindung mit netzgebundener Wärmeversorgung, nicht auch wichtig wären. Unabhängig von den Speichertechnologien gilt, dass ein hohes Mass an Elektrifizierung der einfachste und effizienteste Weg bei der Abkehr der Nutzung fossiler Energieträger ist.


Autorin

Silvia Zuber
Silvia Zuber

Project Manager


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