Aus der Nähe sind Ortschaften erkennbar. Es handelt sich um die Unterwerke von Swissgrid.


Strom ist das Lebenselixier unserer modernen Gesellschaft. Er ist unser stiller und unsichtbarer Antreiber. Erst wenn er nicht mehr fliesst, wird uns seine Präsenz respektive Abwesenheit bewusst. Dabei geht er den Weg des geringsten Widerstandes. Ihn fassbar zu machen und darzustellen scheint unmöglich. Nicht so für Nadieh Bremer. Die Holländerin ist selbstständige Designerin in Data Visualization und Künstlerin mit einem Background in Datenwissenschaften und einem Studium der Astronomie. Im Auftrag von Swissgrid hat sie sich an die Herkulesaufgabe gewagt und mit ihrem Werk «Landscape of Power Flows» den Stromfluss sprichwörtlich sichtbar werden lassen.

«Landscape of Power Flows» - Hinter der Schönheit dieses Werkes verbergen sich Millionen von Betriebsdaten.
«Landscape of Power Flows» - Hinter der Schönheit dieses Werkes verbergen sich Millionen von Betriebsdaten.

Im Fluss ist denn auch der richtige Ausdruck. Bei Betrachtung der Visualisierung aus einer gewissen Distanz fällt als erstes die rote Farbe auf. Mal stärker mal schwächer ausgeprägt, schafft das Rot die Verbindungen zwischen unterschiedlich grossen Kreisen. Der eine Kreis scheint den nächsten in Bewegung setzen zu wollen. Die Vernetzung untereinander sowie die Abhängigkeiten sind deutlich sichtbar. Nur gemeinsam schaffen sie es, den Schwung aufrechtzuerhalten. Dort wo die rote Farbe aufhört sind Umrisse zu sehen. Die Form lässt keine Zweifel offen, es handelt sich dabei um die Schweiz. Nähert man sich dem Werk sind die Namen von Ortschaften erkennbar: Avegno, Chamoson, Innertkirchen ist unter anderem zu lesen. Wer die Infrastruktur von Swissgrid kennt weiss, es sind ihre Unterwerke. Auch sie scheinen in Bewegung zu sein. Einem Herzschlag ähnlich pulsieren Ringe um sie herum. Hinter der Schönheit dieses Werkes verbergen sich Millionen von Daten, die Nadieh Bremer in akribischer Arbeit zum Leben erweckt hat. Genauer gesagt handelt es sich um Betriebsdaten des Höchstspannungsnetzes von 2019, die sogenannten Netzmodelle, welche die Operative Planung erzeugt und verwendet. Dieses Datenset umfasst in der Grössenordnung 60 Millionen Zeilen.


Vom grossen Ganzen ins Detail

Auch Nadieh Bremer hat sich Schritt für Schritt ihrer anspruchsvollen Arbeit angenähert: «Das Ausmass der Daten von Swissgrid ist unvorstellbar. Die Herausforderung lag darin, die richtige Granularität zu finden, also welche Daten bilde ich ab und welche kann ich für diesen Zweck aggregieren». Den ersten Schritt ihrer Arbeit beschreibt sie als eine Art Eintauchen in die Datenflut. Dort versucht sie, Verbindungen zwischen einzelnen Elementen und Datensätzen herzustellen. Aus den Rohdaten entstehen so bereinigte Daten, die sie für die Visualisierung nutzen kann: «Im Kopf beginne ich, das neue Datenset zu verarbeiten. Dabei überlege ich mir, wie ich es darstellen kann, damit die Informationen gut verdaubar und einfach zu transportieren sind». Bald hatte Nadieh Bremer so eine Vorstellung davon, wie sie die Netzdaten über die Zeitspanne eines Jahres abbilden kann. Ihr Ziel blieb dabei stets ein Werk zu schaffen, das ästhetisch ist, die Menschen anspricht und seine Wirkung aus der Distanz wie auch der Nähe entfaltet. Die Visualisierung soll aber nicht nur «schön» sein, sie soll auch informativ sein, Trends aufzeigen, Einsichten darstellen und den Betrachter und die Betrachterin würdigend darauf aufmerksam machen, wie komplex und reichhaltig die Daten sind, mit denen sich der Systembetrieb von Swissgrid täglich auseinandersetzt. Als Expertin weiss sie: «Gerade bei der Unmenge an Daten, helfen uns Visualisierungen, die Zusammenhänge besser zu verstehen und entsprechend Entscheidungen zu treffen».

Aus der Nähe sind Ortschaften erkennbar. Es handelt sich um die Unterwerke von Swissgrid.
Aus der Nähe sind Ortschaften erkennbar. Es handelt sich um die Unterwerke von Swissgrid.

Mehr als l’art pour l’art: Vom Kunstwerk in den Lebensalltag

Die Welt von Swissgrid als Übertagungsnetzbetreiberin besteht aus zahlreichen Vernetzungen und einer riesigen Menge an Daten, die sie mit ihren Partnern im In- und Ausland austauscht. Wichtige Entscheidungen und Eingriffe ins System erfolgen denn auch datenbasiert. Dabei stehen mehr Daten und Informationen denn je zur Verfügung. Neue vereinfachte Darstellungen, welche komplexe Zusammenhänge entflechten, sind daher auch für Swissgrid essenziell. Gerade im Herzstück von Swissgrid, der Netzleitstelle. Die Operateurinnen und Operateure müssen den Zustand des Stromnetzes möglichst schnell und intuitiv erfassen können. Denn im Notfall, wenn beispielsweise eine Leitung ausfällt oder die Stabilität des Netzes gefährdet ist, zählt jede Sekunde. Swissgrid arbeitet daher regelmässig und vermehrt mit Datenvisualisierungen. Ein Beispiel dafür ist die schematisierte Netzkarte, die aus denselben Betriebsdaten des Höchstspannungsnetzes entstanden ist wie das Werk «Landscape of Power Flows». Dies zeigt, die Möglichkeiten der Datenvisualisierung scheinen schier unerschöpflich, sei es aus einer kreativen Sicht oder mit einem informativen Schwerpunkt. Nadieh Bremer selbst reizt die Herausforderung der künstlerischen Umsetzung von Daten stärker. Swissgrid ist von ihrer Arbeit denn auch mehr als beindruckt. Sie hat daher entschieden, «Landscape of Power Flows» in Grossformat auf Acrylglas auszudrucken und im Hauptgebäude in Aarau aufzustellen. Bleibt zu hoffen, dass es die Situation bald wieder zulässt und das Werk zahlreiche Mitarbeitende sowie Besucherinnen und Besucher zum Betrachten aus der Ferne und zum Lesen aus der Nähe einlädt.

Ausgedruckt auf Acrylglas ist das Werk im Hauptgebäude in Aarau zu bewundern.
Ausgedruckt auf Acrylglas ist das Werk im Hauptgebäude in Aarau zu bewundern.


Autorin

Melanie Hangartner
Melanie Hangartner

Communication Manager


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