Projekte zum Bau von Höchstspannungsleitungen brauchen Zeit. Zwischen dem Start eines Projekts und seiner Inbetriebnahme vergehen im Durchschnitt 15 Jahre. In manchen Fällen kann dies sogar noch länger dauern. Das Projekt Chamoson – Chippis bricht mit 36 Jahren alle Rekorde. Der Grossteil dieser Zeit wurde für Studien, Planung, Bewilligungsverfahren und insbesondere für rechtliche Verfahren aufgewendet. Im Gegensatz dazu dauerte der Bau der Leitung gerade mal vier Jahre.
Angefangen hat alles im Jahr 1986. Energie Ouest Suisse (EOS) gab bekannt, zwischen Romanel und Chippis die Höchstspannungsleitung auszubauen. Diese sollte aus drei Teilen bestehen: Vom Unterwerk in Romanel bis Saint-Triphon; von Saint-Triphon bis Chamoson und von Chamoson bis nach Chippis. Die ersten beiden Abschnitte wurden innerhalb von 12 Jahren fertiggestellt. 1997 reichte EOS das Leitungsprojekt Chamoson – Chippis beim Eidgenössisches Starkstrominspektorat ein. Es kam zu zahlreichen Einsprüchen gegen das Projekt, insbesondere wegen der als zu stark empfundenen Auswirkungen auf die Landschaft. Die Bundes- und kantonalen Behörden sprachen sich gegen das Projekt aus, das daraufhin ausgesetzt wurde.
Im Juni 2002 startete die EOS einen zweiten Versuch. Sie legte dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ESTI) eine neue Version des Projekts zur Bewilligung vor. Neu am Projekt war neben dem Bau der zwei 380-kV-Leitungen und der 220-kV-Leitung zwischen Chamoson und Chippis die Zusammenlegung der 65-kV-Leitung der Valgrid und der zwei 132-kV-Leitungen der SBB auf denselben Masten. Fünf Jahre später ging das Dossier zur Fortsetzung des Bewilligungsverfahrens an das Bundesamt für Energie (BFE). Während dieser Zeit hatte sich EOS mit Atel zusammengeschlossen, woraus die heutige Alpiq entstand. 2010 erhielt Alpiq die Bewilligung für den Bau der Freileitung zwischen Chamoson und Chippis. Doch gegen den Entscheid des BFE wurden Einsprüche erhoben. Das Verfahren ging das erste Mal vor das Bundesverwaltungsgericht und dann vor das Bundesgericht.
Das 2010 bewilligte Freileitungsprojekt musste erneut angepasst werden und wurde in seiner dritten Version den zuständigen Bundesbehörden vorgelegt. 2015 erteilte das BFE der neuen Eigentümerin der Leitung, Swissgrid, die Baubewilligung. Die nationale Netzgesellschaft hatte 2013 die Höchstspannungsanlagen von Alpiq auf Basis des Stromversorgungsgesetzes übernommen und führte das Projekt Chamoson – Chippis von da an fort. Auch dieser zweite positive Entscheid in der Geschichte des Projekts wurde von Gegnern angefochten. Erneut wurde der Fall vor das Bundesverwaltungsgericht und dann vor das Bundesgericht gebracht. 2017 bestätigte dieses in letzter Instanz die vom BFE 2010 und 2015 erteilte Baubewilligung. Die Bauarbeiten für die Freileitung zwischen Chamoson und Chippis konnten beginnen.
Der eigentliche Bau der Leitung erfolgte im Vergleich zu den früheren Studien und Verfahren sehr schnell. Innerhalb von vier Jahren wurden 77 Metallmasten auf einem Trassee von 30 km Trassee hauptsächlich entlang des linken Rhoneufers errichtet. Die neue Leitung zwischen Chamoson und Chippis beseitigt einen Engpass bei der Übertragung von Strom, der von den Walliser Wasserkraftwerken erzeugt wird. Sie gewährleistet den Transport der Walliser Energie zu den Verbrauchszentren im Schweizer Mittelland und spielt daher eine entscheidende Rolle für die Versorgungssicherheit des Landes. Die Inbetriebnahme der Leitung bedeutet jedoch nicht das Ende des Projekts. Erst nach der Demontage von 90 km bestehenden Freileitungen zwischen Siders und Martigny bis 2027 wird ein langes Kapitel in der Geschichte des Ausbaus des Schweizer Höchstspannungsnetzes zu Ende gehen.