Wenn im Winter eisige Temperaturen herrschen, schützen wir uns und ziehen uns warm an. Pullover, Jacke, Stiefel und Handschuhe sind dabei essenziell. Bei längerem Aufenthalt draussen ohne Handschuhe haben wir sicher alle schon das Gefühl gehabt, unsere Haut platze gleich vor Kälte. Bei den Leitungen kann das wirklich passieren: Eis kann Leitungen reissen lassen. Nicht nur wir können also frieren, unsere Leitungen auch.
Wenn die Temperatur auf den Gefrierpunkt sinkt und die Luftfeuchtigkeit hoch genug ist, bildet sich eine Eisschicht um die Leiterseile. Das Eis kann darauf aufbauen und die Schicht immer dicker werden lassen. Wegen der Eislast hängen dann die Leiterseile durch und bei zu hohem Gewicht können sie sogar reissen beziehungsweise Strommasten können unter der Eislast zusammenbrechen. Um dies frühzeitig erkennen und handeln zu können, wurden bisher Zugmessdosen auf ausgewählten Leitungen eingebaut. Sie arbeiten mit dem Gewicht der Seile und sind über Kabel verbunden. Da diese Anlagen altershalber ersetzt werden müssen, hat sich ein Projektteam auf die Suche nach einem Ersatz gemacht. In einer Zusammenarbeit mit dem Berliner Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM testet Swissgrid seit letztem Winter eine neue, von ihnen entwickelte Technologie namens ASTROSE® aus. ASTROSE ist ein Funk-Sensornetzwerk zum Monitoring von Hoch- und Höchstspannungsleitungen. Dieses Funk-Sensornetzwerk basiert auf der ortsunabhängigen Bereitstellung von Messwerten und ermöglicht so die Anpassung der aktuellen Betriebsführung.
Swissgrid ist die erste Übertragungsnetzbetreiberin, die das Funk-Sensornetzwerk ASTROSE für die Eislastmessung nutzt. Zurzeit wird dieses System auf dem Pass Chringe an der Leitung Innertkirchen – Bickigen eingesetzt. Dort wird das Pilotprojekt in Partnerschaft mit Fraunhofer IZM durchgeführt. 22 Sensoren wurden auf dem Leiterseil ab dem Chringe-Pass in Richtung Innertkirchen montiert. Die ersten Resultate stimmen positiv.
Die Funksensoren messen die Seilneigung in jedem Spannfeld und bauen eine Datenkommunikation in die Netzleitstelle auf. Ausserdem messen sie die Temperatur und Drehung des Seils und die Menge Strom, die durchfliesst. Das energieautarke System nutzt keine öffentlichen Übertragungstechniken, was es sicherer gegen Angriffe von aussen macht. Die Sensoren kommunizieren untereinander über Funk. Der erste Funksensor sendet seinen Datensatz an den zweiten Sensor, dieser fügt seine Daten hinzu und sendet sie an den dritten und so geht das weiter bis zur Funkbasis, die auf dem Chringe-Pass installiert ist. Dort werden die Daten gespeichert, analysiert und in die Netzleitstelle zur Nutzung eingespeist.
Beim alten System kommunizieren die einzelnen Zugmessdosen nicht untereinander. Bei ASTROSE hingegen ist nur an der Funkbasis die ganze Infrastruktur nötig, da die Sensoren die Daten weitergeben.
Wenn die Eislast zu hoch wird und dadurch die Leiterseile durchhängen, erhalten im Normalfall die Operateurinnen und Operateure im SGC eine Meldung. Da sich das Projekt noch in der Pilotphase befindet, erhält das Projektteam inklusive Fraunhofer IZM die Meldung. Sie können die Messdaten – in Tabellen aufgeführt und als Grafiken visualisiert – in einer gesicherten Weboberfläche einsehen und eingreifen. Danach bleibt aber alles beim Alten: Durch Eislast bedrohte Leitungen werden mittels eines kurzzeitigen, wesentlich höheren Stromflusses soweit erwärmt, dass das Eis schmilzt und von der Leitung abfällt.
Blick in die Zukunft: proaktiv Risiken angehen
Momentan werden die neuen Daten noch ausgewertet und mit den alten verglichen. Die Feineinstellungen müssen noch vorgenommen werden, damit beispielsweise das System die Alarmierungen bei den korrekten Werten auslöst. Wenn die Pilotphase durch ist und die Resultate weiterhin positiv bleiben, kann sich das Projektteam gut vorstellen, dieses System an weiteren Standorten anzuwenden. Zudem kann ASTROSE in der Zukunft für weitere Optimierungen neben der verbesserten Eislastmessung sorgen. Eine Fusionierung mit Dynamic Line Rating ist durch die vorhandene Infrastruktur möglich. Da die Sensoren auch die Leiterseiltemperatur, die Spannung und die Stromstärke messen, kann das ASTROSE System auch für die Erhöhung der Transportfähigkeit ebenso wie die frühzeitige Event- und Gefahrendetektion genutzt werden. So kann Swissgrid proaktiv Risiken angehen.