Im Interview erklärt Claus Reifferscheidt, Fachspezialist Tarifmanagement bei ewz, wie die Swissgrid-Tarife auf die unteren Netzebenen weiterverrechnet werden. Dabei erfahren wir unter anderem, wieso Kundinnen und Kunden von Hoch- oder Mittelspannung mehr bezahlen als jene von Niederspannung und Haushaltskundinnen und -kunden.
Wie werden die Swissgrid-Tarife grob gesagt auf die unteren Netzebenen weiterverrechnet?
Claus Reifferscheidt: Wir verwenden entweder Vorjahres- oder Planungswerte von unseren Energiedaten und berechnen mit den Swissgrid Tarifen für 2024 den Kostenblock von Swissgrid bei uns, auch Vorliegerkosten genannt. Mittels einer spezifischen Wälzmethode werden diese Vorliegerkosten anteilmässig auf die unteren Netzebenen verteilt: dies erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben von 30% der Energie und 70% der Leistung. Die Leistung wird höher gewichtet, da sie höhere Kosten verursacht. So ist zum Beispiel das Laden des Elektroautos an Randzeiten günstiger als über Mittag oder abends. Und auch mit Hoch- und Niedertarif versuchen wir, Leistungsspitzen zu verschieben.
Unterscheiden Sie dabei zwischen den Tarifen für die Netznutzung sowie den Tarifen für die allgemeinen respektive individuellen Systemdienstleistungen?
Bei ewz unterscheiden wir nicht zwischen den allgemeinen und individuellen Systemdienstleistungen. Für unsere Endkundinnen und Endkunden kalkulieren wir einen Netznutzungstarif. Bei unserer internen Netzkostenrechnung hingegen betrachten wir die allgemeinen Systemdienstleistungen einzeln. Es gibt jedoch verschiedene Verteilnetzbetreiber, welche die Systemdienstleistungen ihren Kundinnen und Kunden separat weiterverrechnen. Zurzeit sind bei uns Überlegungen im Gange, die allgemeinen Systemdienstleistungen aus Transparenzgründen künftig auch einzeln auszuweisen. Der Zeitpunkt der Umsetzung ist aber noch offen.
Wie werden die allgemeinen Systemdienstleistungen und der Netzzuschlag von den Verteilnetzbetreibern weiterverrechnet?
Die Kosten für die allgemeinen Systemdienstleistungen sowie der Netzzuschlag werden uns monatlich akonto von Swissgrid bzw. Pronovo verrechnet. Ende September melden wir Swissgrid jeweils den effektiven Verbrauch des Vorjahrs unserer Endkundinnen und Endkunden und erhalten danach eine Schlussabrechnung. Wichtig ist hierbei, sich vor Augen zu halten, dass der Einkauf der Systemdienstleistungen auf den internationalen Strommärkten für Swissgrid sehr stark gestiegen ist. So ist der Tarif der allgemeinen Systemdienstleistungen von 0,16 Rappen pro Kilowattstunde im Jahr 2022 auf aktuell 0,46 Rappen gestiegen.
«Wichtig ist hierbei, sich vor Augen zu halten, dass der Einkauf der Systemdienstleistungen auf den internationalen Strommärkten für Swissgrid sehr stark gestiegen ist.»
Claus Reifferscheidt
Erhalten Sie viele Verständnisfragen zum Wesen und Zweck der Swissgrid-Tarife?
Eigentlich nicht. Unsere Kundinnen und Kunden nehmen in erster Linie wahr, dass wir verantwortlich sind für Tarifanpassungen. In unserer Kommunikation erwähnen wir jedoch auf den grossen Einfluss der Swissgrid Tarife auf unsere Tarife. Vielen ist das nicht bewusst. In der Medienmitteilung verweisen wir direkt auf die entsprechende Webseite von Swissgrid, so dass das für die Kundinnen und Kunden nachvollziehbar ist. In der Medienberichterstattung wird dies auch generell so übernommen, wie unsere Erfahrung zeigt.
Schätzungen zufolge machen die Kosten für das Übertragungsnetz von Swissgrid durchschnittlich 8% des gesamten Strompreises aus, den die Endverbraucherinnen und -verbraucher schweizweit bezahlen. Wie hoch ist in etwa der Anteil der Kosten für das Verteilnetz?
In unserer Kalkulation für die ewz Netznutzungstarife belaufen sich die Kosten für das Übertragungsnetz auf rund 15%. Nach der Wälzung wird eine Kostenträger-Rechnung erstellt. Danach steht fest, welcher Betrag pro Netzebene auf die einzelnen Tarife für unsere Kundinnen und Kunden aufzuteilen ist. Im letzten Schritt werden die einzelnen Komponenten für jeden unserer Tarife berechnet. Damit ist die Kalkulation der ewz Netznutzungstarife abgeschlossen. Zur reinen Netznutzung kommen dann allgemeine SDL, Energie, kommunale Abgaben sowie der Netzzuschlag hinzu. Dabei ist der finanzielle Einfluss auf Kundinnen und Kunden von Hoch- oder Mittelspannung aufgrund der Energiemenge grösser als auf jene von Niederspannung oder Haushaltskundinnen und -kunden.
Wie sieht es diesbezüglich bei der Weiterverrechnung der Wirkverluste aus?
Der Swissgrid-Tarif der Wirkverluste bemisst sich an der von uns bezogenen Energiemenge aus dem Übertragungsnetz. Diese werden wie die anderen Tarifelemente in die Vorliegerkosten eingerechnet. Unsere Wirkverluste der unteren Netzebenen, die durch den Transport und die Transformierung des Stroms entstehen, werden als eigene Position in unserer Netzkostenrechnung geführt.
Welche Rolle spielen die Verteilnetzbetreiber bei der Festlegung und Weiterverrechnung der Blindenergietarife?
Die Kosten für Blindenergie können nicht eins zu eins weiterverrechnet werden. Sie fliessen in unsere Netzkostenrechnung ein. Mit unseren Kraftwerken in Mittelbünden können wir zur Stabilität des Übertragungsnetzes beitragen und werden dafür entschädigt. In der Stadt Zürich hingegen müssen wir selbst Blindenergie kompensieren, damit wir das Swissgrid Netz möglichst gering belasten. Unser Tarif für Blindenergie gegenüber unseren Endkundinnen und -kunden ist über Jahre stabil.
Zu guter Letzt: sind die Verteilnetzbetreiber auch involviert bei der Erhebung der Abgaben und Leistungen an das Gemeinwesen?
Durchaus! Da die Abgaben und Leistungen meist pro kWh erhoben werden, sind sinnvollerweise meistens die Elektrizitätsunternehmen mit der Erhebung beauftragt, ähnlich wie beim Netzzuschlag. Im Rahmen der klima- und energiepolitischen Ziele der Stadt Zürich, wie beispielsweise Netto-Null, unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden finanziell mit Förderbeiträgen für Strom oder Wärme aus erneuerbaren Quellen durch Energieberatung oder Energieeffizienzmassnahmen. In der Stadt Zürich werden damit auch die öffentliche Beleuchtung und Uhren abgegolten.