Ende 2022 hat das Bundesamt für Energie (BFE) für das Projekt Innertkirchen – Mettlen das Planungsgebiet «Glaubenberg» festgelegt. Planungsgebiete sind geografische Räume, in welchen Swissgrid im weiteren Projektverlauf Planungskorridore inklusive Übertragungstechnologie (Erdkabel, Freileitung oder kombinierte Variante) erarbeitet. Wo die neue Leitung durchführt und ob sie ober- oder unterirdisch verlaufen wird, das entscheidet der Bundesrat voraussichtlich im Herbst 2025, wenn er die Empfehlung der Begleitgruppe geprüft hat und darauf basierend den Planungskorridor festsetzt.
Doch bis dahin gibt es viel vorzubereiten und abzuklären. Dieser Blogbeitrag gibt Einblick in eine von zahlreichen Herausforderungen in der Projektplanung.
Ausbau der Leitung wegen Engpass
Damit das Übertragungsnetz zukünftigen Bedürfnissen für eine sichere Stromversorgung gerecht wird, muss es langfristig weiterentwickelt werden. Der Ausbau der Stromproduktion aus Wasserkraft ist ein zentraler Pfeiler der Energiestrategie 2050. Wir produzieren zukünftig mehr Strom in den Alpen, verbrauchen ihn aber weiterhin hauptsächlich im Mittelland – dort, wo wir unser Zuhause mit Strom heizen und unsere Elektroautos damit laden. Zwischen Innertkirchen im Kanton Bern und Eschenbach im Kanton Luzern erstreckt sich über rund 60 Kilometer eine 220-Kilovolt-Freileitung. Die Leitung ist zum grossen Teil bereits über 70 Jahre alt und muss auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Bereits heute bestehen auf dieser Leitung Engpässe beim Abtransport der Stromproduktion aus den Wasserkraftwerken Oberhasli, im Wallis und im Tessin. Damit der erneuerbare Strom künftig vollumfänglich zu den Verbraucherinnen und Verbraucher im Mittelland fliessen kann, muss die Transportkapazität auf dieser wichtigen Nord-Süd-Achse erhöht werden. Deshalb plant Swissgrid den Ersatz der bestehenden 220-Kilovolt-Leitung durch eine neue 380-Kilovolt-Leitung. Damit wird ein bereits heute bestehender Engpass im Schweizer Übertragungsnetz behoben und die netzseitige Versorgungssicherheit des Mittellandes langfristig gestärkt.
Damit das Übertragungsnetz zukünftigen Bedürfnissen für eine sichere Stromversorgung gerecht wird, muss es langfristig weiterentwickelt werden.
Herausforderung: Moorlandschaft
Das Planungsgebiet «Glaubenberg» deckt sich weitgehend mit dem Verlauf der heutigen 220-Kilovolt-Leitung und führt von Innertkirchen (BE) via Giswil (OW) und dem Glaubenberg nach Malters (LU) und weiter zum Unterwerk Mettlen in Eschenbach (LU). Die grösste Herausforderung dieses Planungsgebiets ist die Flysch-Moorlandschaft Glaubenberg. Moorlandschaften sind Nachkommen der Gletscher, welche die Schweiz während der letzten Eiszeit bedeckten. Sie hinterliessen Mulden und teilweise wasserundurchlässige Böden, bestehend aus sogenanntem Flysch-Gestein. Die undurchlässigen Gesteinsschichten führten zu Tümpeln und kleinen Seen. So entstand auch die charakteristische Moorlandschaft auf dem Glaubenberg. Mit 130 km2, etwas grösser als der Vierwaldstättersee, ist sie die grösste der Schweiz und wertvoller Naturraum von nationaler Bedeutung. Moore speichern sehr viel CO2, saugen Wasser auf und reinigen es vor der Abgabe an die Flüsse und Seen, bieten eine einzigartige Pflanzenvielfalt und sind Lebensraum für bedrohte Tierarten.
Tunnel statt Bauwerke in geschützten Landschaften
Mit der Annahme der Rothenthurm-Initiative im Jahr 1987 wurden Moore und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung in der Schweiz stark geschützt. Damit dürfen keine Bauwerke jeglicher Art in diesen geschützten Landschaften erstellt werden, also sind weder Masten für eine neue Freileitung noch eine Verkabelung im offenen Grabenbau möglich. Swissgrid schlägt deshalb eine Unterquerung des Glaubenbergs mittels eines rund 10 km langen Tunnels vor. Trotz dieser Herausforderung überwiegen die Vorteile dieses Planungsgebiets gegenüber den beiden anderen, verworfenen Alternativen. Denn das Planungsgebiet «Glaubenberg» ermöglicht nicht nur die direkteste und damit kürzeste Option zur Leitungsführung, sondern tangiert auch die Siedlungsgebiete weniger.
Damit dürfen keine Bauwerke jeglicher Art in diesen geschützten Landschaften erstellt werden, also sind weder Masten für eine neue Freileitung noch eine Verkabelung im offenen Grabenbau möglich.
Geologische Gutachten als wichtige Grundlage für die Projektierung
Um die Machbarkeit einer möglichen Leitungsführung zu prüfen, braucht es frühzeitige Abklärungen. Im Projekt Innertkirchen – Mettlen geben zehn Sondierbohrungen und auch geophysikalische Untersuchungen Informationen über die Lage der Felsoberfläche und die Felsqualität sowie zu diversen geologischen, geotechnischen und hydrogeologischen Aspekten. Einerseits werden Untersuchungen im Bohrloch selbst ausgeführt, andererseits untersuchen die Spezialistinnen und Spezialisten den Bohrkern im Labor, um die relevanten Gesteinseigenschaften zu ermitteln. Dazu gehören beispielsweise Festigkeit und Zusammensetzung. Im Fokus steht bei den Sondierungen die Wasserdurchlässigkeit des Gesteins unter der Moorlandschaft. Zur langfristigen Überwachung des Bergwasserspiegels werden die Bohrungen mit sogenannten Porenwasserdruckgebern ausgerüstet. Die Sondierungen sollen zeigen, ob der Bau eines Tunnels durch den Glaubenberg möglich ist, ohne die Moorlandschaft und deren Quellen zu beeinflussen. Nur dann darf ein solcher Tunnel gebaut werden. Ausserdem will Swissgrid damit Erkenntnisse über die dafür notwendigen technischen Massnahmen gewinnen – also was beim Bau alles berücksichtig werden müsste. All diese Informationen bilden eine fundierte Basis für die weitere Projektierung.
Die Sondierungen sollen zeigen, ob der Bau eines Tunnels durch den Glaubenberg möglich ist, ohne die Moorlandschaft und deren Quellen zu beeinflussen.
Bis heute war wenig über die Geologie im Gebiet Glaubenberg bekannt. Die bisherigen Erkenntnisse aus den Sondierbohrungen zeigen, dass die Untergrundverhältnisse weitgehend den Erwartungen entsprechen. Bisher spricht nichts gegen einen Tunnelbau. Swissgrid ist deshalb zuversichtlich, dass der Stollen wie geplant realisiert werden kann. Der rund 10 Kilometer lange, begehbare Tunnel ist ein anspruchsvolles und teures Bauwerk, welches mehrere Jahre in Bauzeit in Anspruch nehmen wird. Bis heute gibt es keine so lange Verkabelung im Höchstspannungsnetz der Schweiz. Denn Kabel sind nicht nur bautechnisch herausfordernd, sondern auch im Betrieb. (Mehr dazu in der Broschüre «Freileitung und Erdverkabelung» im untenstehenden Downloadbereich.)