
Ein durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt zahlt 2026 jährlich 64 Franken für die Leistungen von Swissgrid. Doch wofür eigentlich? Andreas Schreiber und Zuzana Filková erklären, warum das stabile Stromnetz auch künftig keine Selbstverständlichkeit ist, welche Herausforderungen es gibt und wie sich die Tarife zusammensetzen.
Andreas, Zuzana – was kriegt der «durchschnittliche Vierpersonenhaushalt» für die 64 Franken, die er Swissgrid bezahlt?
Andreas: Es ist ein Beitrag an ein superstabiles Stromnetz. In der Schweiz sind wir uns daran gewöhnt: Ein Knopfdruck, und der Computer, die Kaffeemaschine oder das Licht funktionieren. Der Strom ist zuverlässig verfügbar – heute und in Zukunft. Doch das ist keine Selbstverständlichkeit. Dahinter steht ein starkes Stromnetz, und ein wichtiger Teil dieses Rückgrats stellt Swissgrid bereit. Unsere Vorfahren haben mit dem Bau des Stromnetzes Pionierarbeit geleistet und die Grundlage geschaffen – wir tragen die Verantwortung diese Infrastruktur für alle Schweizerinnen und Schweizer so effizient wie möglich zu betreiben, den neuen Gegebenheiten anzupassen und weiterzuentwickeln.
Zuzana: Dabei geht es um weit mehr als nur Masten, Kabel und Transformatoren. Das Stromnetz ist ein hochkomplexes System, das in jeder Sekunde ausbalanciert werden muss. Die Stromproduktion muss stets exakt dem Verbrauch entsprechen. Wird zum Beispiel ein Elektroauto an der Ladestation eingesteckt, muss der Strom sofort bereitstehen – und nach Abschluss des Ladevorgangs darf kein Überschuss entstehen. Diese ständige Feinabstimmung ist eine unserer Kernaufgaben.
Das Höchstspannungsnetz in der Schweiz ist ja schon gebaut. Warum muss Swissgrid weiter investieren?
Zuzana: Ja, das Höchstspannungsnetz steht schon. Doch es muss laufend instandgehalten werden. Einige Teile sind bis 80 Jahre alt und müssen ersetzt werden. Und wir müssen unser Netz bereit machen für die Zukunft: Der Ausbau der Solarenergie schreitet voran, und auch die Wasserkraft soll weiter gestärkt werden. Doch selbst das grösste Kraftwerk nützt nichts, wenn es keine Leitung mit den Verbrauchern verbindet.
Andreas: Hinzu kommt die fehlende Anbindung an Europa. Ohne ein Stromabkommen haben wir zum Beispiel keinen Zugang zu grossen europäischen Plattformen für die Regelenergie – ein wichtiger Faktor für die Netzstabilität. Deshalb müssen wir solche und ähnliche Lesitungen in der Schweiz erbringen und setzen verstärkt auf die Digitalisierung des Netzbetriebs. Zudem gehen immer mehr ungeplante Stromflüsse durch die Schweiz, die wir bewältigen müssen. Das erschwert das Engpassmanagement und wir müssen immer häufiger mit sogenannten Redispatch-Massnahmen in den Kraftwerksbetrieb eingreifen.
«Doch selbst das grösste Kraftwerk nützt nichts, wenn es keine Leitung mit den Verbrauchern verbindet.»
Zuzana Filková
Neben den Leistungen von Swissgrid verrechnen wir ja auch die Stromreserve und neu den «Zuschlag für solidarisierte Kosten über das Übertragungsnetz» – was bezahlen die Konsumentinnen und Konsumenten damit?
Andreas: Neben den Swissgrid Leistungen werden über die Stromrechnung auch politische Beschlüsse umgesetzt – zum Beispiel die Tarife für die Stromreserve. Diese hat der Bund als Vorsorgemassnahme für den Winter 2022/23 eingeführt, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Der Bund beauftragte Swissgrid, die Kosten für Reservekraftwerke, Wasserkraftreserven und Notstromgruppen auf alle Stromkundinnen und -kunden zu verteilen.
Zuzana: Ab nächstem Jahr müssen wir zudem weitere Kosten solidarisieren, die nicht von Swissgrid verursacht werden. Damit werden Netzverstärkungen finanziert, die zum Beispiel aufgrund des Solarausbaus notwendig sind – allerdings nicht im Netz von Swissgrid, sondern in den Verteilnetzen. Zudem entlastet das Parlament kurzfristig die Stahl- und Aluminiumindustrie von einem Teil der Netznutzungstarife.
Swissgrid passt 2026 den Netznutzungstarif an – warum diese Änderung?
Zuzana: Der Netznutzungstarif erhält aufgrund einer neuen gesetzlichen Vorgabe eine überarbeitete Struktur. Die Gesamtkosten bleiben etwa gleich, jedoch werden Anreize geschaffen, um Leistungsspitzen zu reduzieren. Denn je geringer die Spitzenlast, desto weniger Netzausbau ist erforderlich – vereinfacht gesagt: Die Leistung bestimmt, wie das Netz dimensioniert werden muss.
Andreas: Zudem entfällt der bisherige Grundtarif. Bisher zahlte jeder Anschlusspunkt am Höchstspannungsnetz eine Pauschale. Um zu verhindern, dass Transformatoren – also Anschlusspunkte – aus Kostengründen abgebaut werden, wird dieser Tarif abgeschafft. Mehr Anschlusspunkte erhöhen die Netzstabilität und tragen zu einem sicheren Netzbetrieb bei.