Eine Leitung verschwindet aus den Dörfern
Ein Blick an den Südhang vom Grimselpass talwärts im Goms zeigt es. Hier ist etwas entstanden, was vorher noch nicht da war. Die neue Höchstspannungsleitung ist ein ständiger Begleiter entlang des Südhangs. Auf 57 Masten zieht sich die 380-Kilovolt-Leitung von Ernen bis Ulrichen. Doch die Fahrt durch die malerischen Dörfer im Goms verrät noch mehr. Hier ist auch etwas verschwunden, was Jahrzehnte lang die Dorfbilder geprägt hat: die alte Leitung. Seit Oktober 2019 fliesst Strom über die neue Höchstspannungsleitung auf dem Abschnitt zwischen Ernen und Ulrichen. In diesem Jahr laufen die Rückbauarbeiten an der alten Leitung. Die Vorteile dieses Rückbaus offenbaren sich vor allem dort, wo sich Menschen unter die Leitung begeben haben, etwa auf Wanderwegen oder Langlaufloipen. Auch das Landschaftsbild im Talgrund wird aufgewertet. Und der Campingplatz in Rekingen wurde mit dem Abbruch der alten Leitung sein räumlich geteiltes Schicksal los.
Wie lebt es sich ohne Leitung im Dorf?
Gerhard Kiechler: Man gewöhnt sich schnell an das neue Bild und kann sich fast nicht mehr vorstellen, wie es war, als die Leitung noch da war.
Die Leitung verschwindet nach und nach aus den Dörfern. Haben Sie Rückmeldungen aus der Bevölkerung erhalten?
Am Stammtisch ist die Leitung schon länger kein Thema mehr. Darüber wird nicht mehr gesprochen. Auch der Rückbau hat nicht mehr viel daran geändert. Generell ist es halt so, dass das Positive meist stiller ist als das Negative.
Woran liegt das? Die neue Leitung ist doch weitherum sichtbar.
Ich habe immer gesagt, wartet fünf Jahre, dann sind die Narben in der Natur weg. In diesem Jahr ist der Wald schon wieder leicht nachgewachsen. Am wichtigsten ist aber, dass die alten Leitungen wegkommen. Diejenigen, die unter der Leitung wohnten, sind heilfroh, dass die Leitung weg ist.
Eine Episode verdeutlicht dies. In Rekingen gab es eine Petition aus der Bevölkerung, welche seinerzeit den Gemeinderat aufgefordert hatte, die Einsprache gegen die neue Leitung zurückzuziehen. Auch den Petitionären sei klar gewesen, «hübsch ist es in keinem Fall», aber wenigstens könne dann die neue Leitung gebaut werden, die viel weiter von den Dörfern weg ist.