Die Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation (FSM) an der ETH Zürich hat einen im Auftrag des Bundesamtes für Energie (BFE) ausgeführten Fachbericht zu elektromagnetischen Feldern (EMF) von Stromtechnologien publiziert. Darin sind über 800 wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema zusammengefasst. Den Bericht hat FSM zusammen mit Autorinnen und Autoren der Fachhochschule Graubünden, FKH Fachkommission für Hochspannungsfragen, Fields at Work GmbH, Swiss TPH und Universität Basel verfasst. Einige Erkenntnisse des Berichtes werden hier vorgestellt.
Wo treten elektrische und magnetische Felder bei der Stromversorgung auf?
Die verschiedenen Anlagen, die für die Stromversorgung benötigt werden, erzeugen in ihrer Umgebung je nach ihrer Funktion, Konstruktion und Spannungsebene elektrische und magnetische Felder in unterschiedlicher Stärke. Dies ist physikalisch bedingt und nichts Aussergewöhnliches. Auch wenn ein Gerät im Haushalt an die Steckdose angeschlossen wird, entsteht ein elektrisches Feld. Sobald man das Gerät einschaltet, fliesst Strom durch das Anschlusskabel, und es entsteht neben dem elektrischen Feld auch ein magnetisches Feld. Nur bei Freileitungen und Hochspannungsanlagen, die Luft zur Isolation nutzen (z.B. bei entsprechenden Schaltanlagen in Unterwerken), treten elektrische Felder in der Umgebung auf. Andere Hochspannungsanlagen wie z.B. Erdkabel verfügen üblicherweise über einen metallischen Schirm oder eine metallische Kapselung, die das elektrische Feld nicht nach aussen dringen lassen. Magnetische Felder hingegen treten in unterschiedlicher Stärke in der Umgebung aller Anlagen auf, auch bei unterirdisch verlegten Kabelleitungen und im Bereich von Unterwerken und Trafostationen. Die Stärke des elektrischen Feldes hängt von der Spannung auf der Leitung ab. Da die Spannung üblicherweise konstant gehalten wird, ist auch das elektrische Feld konstant. Die Stärke des magnetischen Feldes hingegen ist veränderlich und hängt von der sich mit der Last auf der Leitung verändernden Stromstärke ab. Bei geringer Stromstärke respektive Auslastung ist auch das magnetische Feld klein. Die elektrischen und magnetischen Felder von Höchstspannungsleitungen, wie sie Swissgrid betreibt, nehmen mit der Distanz zur Leitung rasch ab.
Die magnetischen Felder werden anders als die elektrischen Felder durch die Mauern von Häusern nicht abgeschwächt und dringen deshalb auch von aussen durch Wände in Innenräume ein. Daher stehen die magnetischen Felder bezüglich ihrer Auswirkung auf die Umwelt und uns Menschen gegenüber den elektrischen Feldern im Vordergrund.
Wie stark sind die im Alltag auftretenden Magnetfelder?
Seit 2021 werden im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) jährlich Magnetfelder in unserer Umgebung erfasst. Die hauptsächlichen Quellen hierfür sind die Stromversorgung wie auch die Fahrleitungen der Züge. Der Grenzwert für Magnetfelder von Höchstspannungsleitungen liegt in der Schweiz bei 100 Mikrotesla (μT). Dieser sogenannte Immissionsgrenzwert schützt vor allen wissenschaftlich anerkannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die in der Studie des BAFU gemessenen Werte in öffentlich zugänglichen Bereichen lagen mit Mittelwerten zwischen 0.02 und 1.15 µT weit unterhalb dieses Grenzwertes. Diese Resultate sind vergleichbar mit früher durchgeführten Messungen.
Können wir elektrische und magnetische Felder wahrnehmen?
Wenn wir von den Auswirkungen der Felder von Stromleitungen auf uns Menschen sprechen, sind biologische Wirkungen und mögliche gesundheitliche Risiken auseinander zu halten. Eine Frage der biologischen Auswirkungen betrifft die Schwelle, ab welcher wir elektrische und magnetische Felder von Stromleitungen überhaupt spüren können, z.B. durch ein Kribbeln auf der Haut. Die neuesten Untersuchungen zur Wahrnehmung von elektrischen Feldern von Hochspannungsleitungen wurden in einem Labor in Deutschland durchgeführt. Die Wahrnehmungsschwellen sind von Person zu Person sehr unterschiedlich. Es ist unklar, auf was diese Unterschiede zurückzuführen sind. Die mittlere Schwelle, bei der die Versuchspersonen das elektrische Feld wahrnehmen konnten, lag in dieser Untersuchung bei einer Feldstärke von rund 14'000 Volt pro Meter (V/m). In Volt pro Meter wird die Stärke des elektrischen Feldes gemessen. Zum Vergleich: In der Schweiz gilt ein Immissionsgrenzwert für diese Felder von 5000 V/m. Damit wir ein Magnetfeld wahrnehmen können, muss es eine Stärke von 5 bis 10 Millitesla (mT) haben. Das ist 50- bis 100-mal mehr als der geltende Immissionsgrenzwert für die Anlagen der Stromversorgung in der Schweiz.
Gibt es negative gesundheitliche Auswirkungen von Magnetfeldern von Höchstspannungsleitungen?
Für die im Alltag auftretenden schwachen Magnetfelder unterhalb der Grenzwerte hat die wissenschaftliche Forschung bisher keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit nachgewiesen. Eine Frage, die noch nicht abschliessend beurteilt werden kann, betrifft das möglicherweise erhöhte Auftreten von Kinderleukämie in der Nähe von Höchstspannungsleitungen. In epidemiologischen Studien wurden entsprechende statistische Zusammenhänge gefunden, die aber nicht zwingend aussagen, dass Kinderleukämie durch diese Magnetfelder verursacht wird. Die aus den epidemiologischen Studien abgeleiteten, erhöhten Risikoabschätzungen sind mit grossen Unsicherheiten behaftet. Einerseits wurden in vielen Studien mögliche methodische Fehlerquellen untersucht, wie z.B. die ungenaue Erfassung der Magnetfeldstärken, welchen die betroffenen Kinder im gesamten Alltag ausgesetzt sind. Andererseits ist auch denkbar, dass andere Ursachen als die Magnetfelder für das Auftreten von Kinderleukämie verantwortlich sein könnten. Die grösste Schwäche in der Beurteilung besteht jedoch darin, dass sich bis heute kein wissenschaftlich fundiertes Konzept durchgesetzt hat, das die Entstehung von Kinderleukämie durch die Einwirkung von schwachen Magnetfeldern erklären könnte. Aber auch bei einer Annahme, dass magnetische Felder von Höchstspannungsleitungen tatsächlich für ein erhöhtes Risiko für Kinderleukämie verantwortlich wären, so wäre das Risiko im Vergleich zu anderen Kinderkrankheiten klein. Es könnten damit vielleicht maximal 1% der insgesamt jährlich neu auftretenden Krebsfälle bei Kindern erklärt werden. Generell ist zu sagen, dass Krebserkrankungen bei Kindern selten sind.