Netz

Das Stromnetz fit machen für die Energiewende

Der Netzexpress darf nicht zum Bummelzug werden

Autor: Jan Schenk


Mit dem deutlichen Ja der Schweizer Stimmbevölkerung zum Stromgesetz am 9. Juni 2024 kann der Ausbau der erneuerbaren Energien so richtig Fahrt aufnehmen. Aber damit die Endkunden den Strom nutzen können, muss dieser auch bei ihnen ankommen. Eine Produktionsanlage dient niemandem, wenn die Netzkapazitäten nicht ausreichen, um die produzierte Energie abzutransportieren. Damit die Stromnetze nicht zum Nadelöhr der Energiewende werden, müssen sie zwingend zeitgleich mit dem Produktionsausbau modernisiert und wo nötig ausgebaut werden. Doch die Netzinfrastruktur muss nicht nur verstärkt, sondern in den kommenden Jahren auch modernisiert und gesamthaft erneuert werden. Deswegen will der Bundesrat die Bewilligungsverfahren für den Um- und Ausbau der Stromnetze beschleunigen.

Die sogenannte «Netzexpress»-Vorlage ermöglicht es, diese Netzerneuerung rascher umzusetzen. Ein zentrales Element ist die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren, die derzeit bis zu 15 Jahre in Anspruch nehmen. In manchen Fällen kann sich dieser Prozess durch Einsprachen und Gerichtsverfahren sogar bis zu 30 Jahre verlängern. Eine Verkürzung dieser Fristen ist essenziell, damit der Netzausbau künftig mit dem Kraftwerksausbau Schritt halten kann.

Das Übertragungsnetz spielt eine Schlüsselrolle im Schweizer Stromsystem. Es ermöglicht den überregionalen und grenzüberschreitenden Stromaustausch und muss sicherstellen, dass auch die zukünftige Produktion zu den Verbrauchszentren im Mittelland transportiert werden kann.

Die Energiewende braucht ein starkes Stromnetz. Der Netzexpress beschleunigt die Bewilligungsverfahren und ermöglicht eine zeitnahe Modernisierung des Schweizer Übertragungsnetzes.

 
Freileitungen haben sich bewährt – sie sind zuverlässig, robust und kosteneffizient

Künftig soll im Übertragungsnetz ein Freileitungsgrundsatz gelten. Freileitungen haben sich im Schweizer Höchstspannungsnetz als Standard bewährt. Sie sind robust, schnell instand zu halten und kosteneffizient.

Ein hoher Anteil an Erdkabeln im Übertragungsnetz ist aus physikalischen und betrieblichen Gründen nicht möglich (Blindleistungskompensation, Spannungshaltung, Netzwiederaufbau, Reparaturzeit etc.). Nimmt der Anteil an Erdverkabelungen im Übertragungsnetz zu, muss Swissgrid sogenannte Kompensationsanlagen bauen, welche die Spannung reduzieren. Aus technischer und betrieblicher Sicht sollte der Anteil an Erdkabeln im Übertragungsnetz tief gehalten werden. Bei der Beurteilung von Erdverkabelungen ist nicht nur der jeweilige Leitungsabschnitt, sondern das Netz als Gesamtsystem im Auge zu behalten.

Zudem sind die Kosten für Erdkabel zwei bis zehnmal höher als für Freileitungen. Diese Kosten werden von allen Schweizer Stromkonsumentinnen und Stromkonsumenten solidarisch getragen. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass Freileitungen auch in Zukunft den resilienten Standard für das Schweizer Übertragungsnetz bilden und Erdkabel nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden.

Mit dem Verzicht auf das Sachplanverfahren schneller zum Ziel

Der Ersatz von bestehenden Leitungen auf dem bisherigen Trassee soll künftig ohne Sachplanverfahren erfolgen. Das bedeutet, dass bestehende Freileitungen, die altersbedingt erneuert werden müssen, auf dem bisherigen Trassee ersetzt werden können, ohne dass ein umfassendes Sachplanverfahren, das den Prozess um zwei bis vier Jahre verlängert, erforderlich ist. Dies spart wertvolle Zeit und ermöglicht es, dringend nötige Erneuerungen schneller umzusetzen.

So kann Swissgrid die in den nächsten Jahrzehnten anstehenden Erneuerungen des Übertragungsnetzes effizienter und kostengünstiger umsetzen. Denn im Vergleich zu den letzten 20 Jahren wird sich die Anzahl der Netzprojekte vervielfachen.

Der Verzicht auf ein Sachplanverfahren bei einem gleichwertigen Leitungsersatz ist zentral für die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren.

 
Vorrang vor anderen nationalen Interessen trägt der Wichtigkeit des Stromnetzes Rechnung

Das Interesse an der Realisierung von neuen Anlagen des Übertragungsnetzes soll anderen nationalen Interessen wie Umwelt- und Landschaftsschutz grundsätzlich vorgehen. Dies bedeutet, dass das Interesse an einer sicheren und stabilen Stromversorgung durch ein leistungsfähiges Übertragungsnetz über anderen nationalen Interessen stehen soll, wenn es zu Interessenkonflikten kommt.

Diese Regelung ermöglicht es, Bewilligungsverfahren zu beschleunigen, indem eine klare Priorität für die Realisierung von Netzprojekten gesetzt wird. Trotzdem finden Einzelfallbetrachtungen und Interessenabwägungen weiterhin statt.

Maststandorte in Schutzgebieten

Effizienzsteigerung durch regionale Koordination der Netzplanung

Netzbetreiber sollen die betroffenen Kantone sowie weitere betroffene Infrastrukturbetreiber künftig frühzeitig und umfassend in die Planung miteinbeziehen. Diese enge Zusammenarbeit soll dafür sorgen, dass Planungsschritte besser abgestimmt und Synergien optimal genutzt werden können.

Ein gelungenes Beispiel für diese Art der Kooperation ist das Projekt «Studio Generale» im Tessin, bei dem Swissgrid gemeinsam mit lokalen Partnern eine koordinierte Lösung für Stromleitungen und Raumentwicklung gefunden hat. Solche Projekte zeigen, dass eine frühe Koordination Zeit spart, Bewilligungsverfahren vereinfacht und so zur erfolgreichen und effizienten Umsetzung von Netzprojekten beitragen kann.

Regionale Koordination

No transition without transmission

Die Energiewende wird ohne ein starkes und modernes Stromnetz nicht gelingen. Die Netzexpress-Vorlage enthält wichtige Bestimmungen zur dringend notwendigen Beschleunigung der Bewilligungsverfahren im Bereich des Höchstspannungsnetzes. Swissgrid setzt sich dafür ein, dass die Schweiz weiterhin sicher, zuverlässig und nachhaltig mit Strom versorgt werden kann. Dabei ist das Stromnetz ein Schlüsselfaktor.


Gesamterneuerung der Netzinfrastruktur

Die Modernisierung des Übertragungsnetzes ist nicht nur eine technische, sondern auch eine zeitliche Herausforderung. Swissgrid arbeitet kontinuierlich daran, die Netzinfrastruktur instand zu halten und zu modernisieren. Viele Projekte aus dem Strategischen Netz 2025 sind jedoch in langwierigen Bewilligungsverfahren blockiert.

Nebst der langfristigen Modernisierung und der Behebung von Engpässen im Übertragungsnetz liegt ein wichtiger Fokus auf der altersbedingten Sanierung der Netzinfrastruktur. Rund zwei Drittel des Schweizer Übertragungsnetzes ist heute zwischen 50 und 80 Jahre alt. Eine Freileitung hat eine Lebensdauer von rund 80 Jahren. Die altersbedingten Erneuerungen erfordern bei einigen Leitungen ein Sachplanverfahren. Zusätzlich setzt Swissgrid kurzfristige Sanierungen aufgrund der Alterung von Strommasten um, beispielsweise der Ersatz von Leiterseilen oder Isolatoren oder zur Erhöhung der Sicherheitsabstände zwischen den Leiterseilen und dem Boden. Der Netzexpress wird es ermöglichen, diese Projekte zeitgerecht umzusetzen, indem er unter anderem den Ersatz bestehender Leitungen auf dem bisherigen Trassee ohne aufwendige Sachplanverfahren erlaubt. Dies kann die Projektdauer um zwei bis vier Jahre verkürzen.

Altersstruktur der Masten

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Jan Schenk
Jan Schenk

Senior Communication Manager


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